Es gibt viele Gründe, die dazu führen, dass Menschen künstlich beatmet werden müssen: Unfälle, schwere Krankheiten, Operationen. Doch umso länger ein Patient beatmet wird, desto schwerer tut er sich, es wieder selbstständig zu lernen. Dieser Prozess nennt sich Weaning (Englisch für Entwöhnung) und findet auf speziellen Stationen verschiedener Kliniken in der Region statt, in denen mehrere Fachbereiche zusammenarbeiten. Als Weaning-Zentrum von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zertifiziert sind die Fachkliniken Wangen der Waldburg-Zeil Kliniken. Ihr Einzugsgebiet reicht über Bayerisch-Schwaben und große Teile Baden-Württembergs. Chefarzt Dr. Armin Schneider erläutert die Hintergründe des Weanings.
Davon sprechen Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen: Betroffene müssen invasiv beatmet werden, also beispielsweise durch einen Tubus in der Luftröhre. „Eine Maske zählt nicht dazu, denn die kann ich ja jederzeit abnehmen und sehen, ob der Patient selbst atmet“, erläutert Schneider. Zudem handelt es sich um langzeitbeatmete Menschen, also seit mindestens sieben Tagen.
Den typischen Weaning-Patienten gibt es nicht, wenngleich zwei Ursachen häufig zugrunde liegen: Die Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und eine Blutvergiftung (Sepsis), die zum Versagen mehrerer Organe führt, was häufig die Lunge einschließt. Betroffen sein können laut Schneider auch Menschen nach schweren herzchirurgischen Eingriffen, bei denen Komplikationen auftauchen. Auch Neuromuskuläre Krankheiten, beispielsweise nach einer Kinderlähmung, können die Atmung betreffen. Bei extrem Übergewichtigen kann die Körpermasse die Atmung überfordern.
Wenn ein Patient zum Weaning kommt, liegt sein Hauptproblem in der Schwäche der Atempumpe. So bezeichnen Mediziner die funktionelle Einheit, die mit einem Impuls im Hirnstamm beginnt, diesen an das Zwerchfell weiterleitet und schließlich den Brustkorb in Bewegung setzt. „Wir versuchen, eine Waage ins Gleichgewicht zu bringen“, verdeutlicht Schneider. Auf der einen Seite steht die Kapazität der Atmung, also das, was sie kann, auf der anderen Seite die Last, also das was sie leisten sollte. „Es gilt die belastenden Faktoren zu reduzieren und die Kapazität zu steigern“, erklärt der Chefarzt weiter. Das geschieht, indem die Ursache, beispielsweise eine Bronchitis oder ein Lungenerguss, behandelt wird. Gleichzeitig trainiert das Weaning-Team mit dem Patienten, etwa in Form von Physiotherapie, Laufen oder Radfahren. Zudem wechseln sich Phasen der sogenannten Spontanatmung, also des selbstständigen Atmens, mit Beatmungsphasen ab. Auf diese Weise soll die Lunge sich wieder daran gewöhnen ihre Arbeit zu verrichten, die eine Maschine ihr zuvor abnahm. Das gelingt in Wangen bei fast 80 Prozent der Patienten vollständig.
Die durchschnittliche Liegezeit auf der Weaning-Station in Wangen beträgt laut Schneider 14 bis 16 Tage. Natürlich gibt es Fälle, in denen der Erfolg deutlich schneller eintritt und solche, in denen es mehrere Monate dauert oder gar nicht gelingt. Entscheidend ist: Je länger jemand künstlich beatmet wurde, desto länger dauert die Entwöhnung. Zudem hängt die Dauer vom Alter und der Schwere der Krankheit ab. Wer vorher in einem guten Zustand war, atmet schneller wieder aus eigener Kraft. Dabei kommt Schneider auf einen emotionalen Aspekt zu sprechen: Ein Mensch, der beatmet wird, kann nicht reden. Für die Ärzte und allen voran für den Patienten, ist es stets bewegend, das erste Mal wieder die Stimme zu hören.
Nur selten werden Weaning-Patienten von der Intensivstation direkt nach Hause geschickt, schließlich handelt es sich um eine schwere Behandlung. Häufiger kümmern sich Ärzte anderer Stationen weiter um ihre Grunderkrankung. Das bedeutet beispielsweise bei COPD das Rauchen aufzuhören oder eine neurologische Behandlung bei Patienten mit Blutvergiftung. Ist die Entwöhnung nicht abgeschlossen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Beatmungsheime, spezielle Wohngruppen oder eine ambulante Betreuung. Das Leben nach dem Weaning wird bereits während der Behandlung geplant.