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Das Mehrgenerationen-Haus

Mauerstetten

Das Mehrgenerationen-Haus

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    Firma Chr. Mayr in Mauerstetten
    Firma Chr. Mayr in Mauerstetten Foto: Matthias Becker

    Als Ferdinand Mayr noch ein Kind war und bei seinen Großeltern im Allgäu zu Besuch gewesen ist, „war immer Sommer. Ich erinnere mich noch gut an die orangefarbene Markise“. Und ihm fällt ein, dass er damals „einen Porzellan-Leoparden umgeschmissen hat“. Aus dem Buben ist ein 37-jähriger Mann geworden, der an diesem Vormittag mit seinem Opa in einem Besprechungszimmer der Firma Mayr Antriebstechnik in Mauerstetten (Kreis Ostallgäu) sitzt. Der Großvater, Fritz Mayr, ist inzwischen 93 Jahre alt. Die beiden haben nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit: Sie bilden auch zusammen mit Günther Klingler die Geschäftsführung des im Jahr 1897 gegründeten Familienunternehmens (siehe Infokasten). Der Senior ist noch jeden Tag ein paar Stunden in der Firma, „um in der Produktion zu schnüffeln“, erzählt er und lacht. Im Gespräch mit den beiden wird deutlich, wie wertvoll eine Firmenphilosophie ist und was einen echten „Mayr-Typ“ ausmacht.

    Die Unterhaltung beginnt aber mit einer Bemerkung über die einstige Mode an deutschen Universitäten. „Wir Maschinenbau-Studenten trugen Krawatten, die angehenden Architekten kamen mit Schals“, erzählt Fritz Mayr. Er schaut zu seinem Enkel hinüber und sagt: „Mir fällt auf, dass du heute keine Krawatte anhast.“ Ferdinand Mayr antwortet: „Position und Status spielen heute keine tragende Rolle mehr, es stehen die Argumente und Themen im Vordergrund.“ Wenn er aber das Unternehmen bei bestimmten Anlässen repräsentiere, trage er nach wie vor eine Krawatte.

    Nicht nur die Mode ändert sich, auch die Ausrichtung der Mayr Antriebstechnik hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark gewandelt. Als Fritz Mayr im Jahr 1956 in den Familienbetrieb einstieg, „haben wir Jauchepumpen und Wasserräder gemacht“. Heute produziert das Ostallgäuer Unternehmen beispielsweise Sicherheitsbremsen, die Aufzüge im Notfall vor dem Absturz bewahren. Und sie stoppen und halten schwere Lasten an Kränen ebenso wie Roboterarme bei einer Operation. „Wir sind Technologie-Führer, befinden uns aber in einem weltweiten Wettbewerb. Asiaten kaufen lieber bei Asiaten ein, auch wenn das Produkt etwas schlechter ist“, erläutert Ferdinand Mayr. Sein Vater, der Sohn von Fritz Mayr, arbeitet nicht im Familienbetrieb. „Er hat eine Abneigung gegen Metall“, sagt der Seniorchef. „Meinem Sohn gehört eine Software-Firma mit fast 100 Mitarbeitern, die nahe München beheimatet ist.“

    Er selbst ist dem Familienunternehmen immer treu geblieben: „Seit 1960 hatte ich keinen Chef mehr über mir. Das ist ein Nachteil. Denn man läuft Gefahr, sich zu überschätzen und seine Grenzen nicht zu erkennen“, sagt Fritz Mayr. Und doch ist ihm die Meinung seiner Mitarbeiter wichtig: „Man führt einen Betrieb nicht mehr von oben herab, das war einmal. Man muss mit den Leuten reden – nicht im Befehlston, sondern wie man mit einem Kollegen spricht. Es ist auch mein Erfolg, wenn ein Mitarbeiter erfolgreich ist.“ Darin ist er sich mit seinem Enkel einig. Ferdinand Mayr sagt, dass in dem Unternehmen nie ein Einzelner eine strategische Entscheidung treffe: „Darin sind immer die Geschäftsführer und die jeweiligen Abteilungsleiter beteiligt.“

    Er lerne viel von seinem Großvater, „wir beide tauschen uns regelmäßig aus“, erzählt Ferdinand Mayr. Und ein Stück Bewunderung schwingt mit, wenn er sagt: „Ich finde den Weg meines Großvaters faszinierend.“ Beide haben die Firmenphilosophie verinnerlicht, die sich auf einen kurzen Nenner bringen lässt: Stabilität steht an erster Stelle. „Das Sicherheitsprinzip ist bei uns ein Dogma“, sagt der Seniorchef. Das war schon so, als Mayr im Jahr 1972 mit 70 Mitarbeitern von Kaufbeuren nach Mauerstetten umzog. Und es gilt auch heute noch, wo das Unternehmen weltweit mehr als 1200 Mitarbeiter beschäftigt.

    Mit Stabilität ist nicht nur die Sicherheit der Produkte gemeint. Dazu zähle beispielsweise auch, dass es selbst in schwierigen Zeiten nie betriebsbedingte Kündigungen gegeben habe, sagt Fritz Mayr. Und es diene der Stabilität, „Wege zu finden für die Zukunft“, ergänzt sein Enkel.Mayr baut derzeit zwei Produktionshallen um, zudem ist der Bau eines neuen Hochregallagers geplant. Zu den Kosten sagen die Geschäftsführer nichts. „Da klebt die Zunge am Gaumen“, antwortet Ferdinand Mayr auf die entsprechende Frage und lächelt.

    Wollen Firmen heutzutage erfolgreich sein, kommen sie an einer großen Herausforderung nicht vorbei. Ferdinand Mayr bringt es so auf den Punkt: „Um effizient zu arbeiten, wollen wir ein hochdigitalisiertes Unternehmen sein.“ Hier können Großvater und Enkel ausnahmsweise nicht im Gleichklang an der Zukunft der Firma arbeiten. „Von Digitalisierung verstehe ich nichts, da muss ich ihm glauben“, sagt Fritz Mayr. Sein Enkel betont, dass es hierbei nicht nur auf Stabilität, sondern auch auf Flexibilität ankomme: „Die Mitarbeiter müssen bereit sein, dazu zu lernen. Eine Umschulung ist da möglicherweise nur ein Anfang. Wir kommen nicht umhin, unsere Mitarbeiter zum Mitmachen zu bewegen.“

    Auch wenn die Digitalisierung nicht mehr das Thema von Fritz Mayr ist: Der 93-Jährige ist überzeugt davon, dass es sein Enkel richtig machen wird. Denn Ferdinand sei „irgendwie ein Mayr-Typ“. Was das bedeutet? „Fleißig sein, unendlich fleißig.“

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