Julia König ist Doktorin der Mathematik und die Chefin ihres eigenen IT-Unternehmens. Mit ihren vier Mitarbeitern entwickelt sie Software, die den Absatz von Produkten vorhersagen oder Fehler in der Produktion erkennen kann. Für Unternehmen ist diese Form der Künstlichen Intelligenz sehr nützlich. Zu den Kunden der Ehrenmüller GmbH – Königs Geburtsname – zählen kleine und mittelständische Firmen aus dem Allgäu und Süddeutschland. All das erreicht hat die gebürtige Linzerin mit 28 Jahren – und als Frau in einer noch männerdominierten Branche. Als Referentin steht sie deshalb nicht nur für Fachpublikum zur Verfügung, sondern beispielsweise auch für Schulen. „Junge Mädchen, die sich dafür interessieren, sollen sehen, dass sie es auch machen können.“
König hält das für wichtig, weil sie selbst diese Erfahrung gemacht hat. Als Kind und in der Schule war sie nicht der kreative Typ. Sie löste lieber Knobelaufgaben und Rätsel und hatte Spaß daran, ziemlich lange über Probleme und ihre Lösung nachzudenken. „Ich hatte eine Mathelehrerin, die mich gefördert hat“, erzählt sie. „Für mich stand nie zur Debatte, dass Frauen nicht Mathe studieren können, weil ich gesehen habe, das andere das auch machen.“
Ähnlich ging es König bei der Wahl einer passenden Universität. Als sie sich verschiedene Hochschulen angeschaut habe, seien da zwar wenige Frauen gewesen, aber schon ein paar. „Wären es nur Männer gewesen, hätte das vielleicht einen anderen Effekt gehabt“, sagt sie.
Während ihres Studiums an der Technischen Universität München entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Programmieren, absolvierte Praktika etwa in der IT-Abteilung eines Autozulieferers. „Das Tolle ist, dass man etwas umsetzen kann, bei dem man einen direkten Effekt sieht“, sagt sie. Sei das Programm oder die Software in Betrieb und mache das, was man vorgesehen hat, sei das eine Genugtuung. Promoviert hat die 28-Jährige an der Technischen Universität Hamburg, ihren ersten Job bekam sie bei einem Online-Autovermieter als Data Scientist – als Datenwissenschaftlerin. Dabei gehe es um das Analysieren und Visualisieren von Daten, erklärt sie. „Von Künstlicher Intelligenz spricht man erst, wenn man Modelle baut, die etwas lernen können und Aufgaben übernehmen, die bisher nur Menschen erfüllen konnten.“
Vor zwei Jahren wechselte König zu Bosch in Immenstadt und begann, nebenberuflich Projekte für Firmen umzusetzen. „Das war eine Art Versuchsphase, bei der ich gesehen habe, dass es mir wirklich gefällt, selbstständig zu arbeiten, und dass ein Markt dafür da ist.“ König überlegte einige Monate. Im Urlaub auf einem Segelboot fiel die Entscheidung: „Ich dachte mir, ich mache das jetzt einfach.“ Als sie zurück im Allgäu war, kündigte sie ihre Festanstellung.
„Die ersten Monate waren schwierig, weil man erst bekannt werden, Kunden und deren Vertrauen gewinnen musste.“ Natürlich habe es da Momente gegeben, in denen sie es gebraucht habe, dass man ihr Mut zuspricht. Ihr erster Mitarbeiter war ein Werkstudent, kurz darauf stieg ihr Mann in die Firma ein. Seit Oktober arbeiten zwei weitere Studenten für sie. Zuhause ist die Ehrenmüller GmbH noch im Kemptener Gründerzentrum Allgäu Digital. „Als Partner während der Gründung hat mich das sehr unterstützt.“
Ob sie schon einmal negative Erfahrungen als Frau in einer Männerdomäne gemacht hat? „Sehr oft“, antwortet König. Sie sei eine sehr gute Studentin gewesen. So gut, dass über sie und andere begabte Kommilitonen ein Bericht veröffentlicht wurde. „Die Männer haben gesagt, das war nur, weil sie eine Frau dabeihaben wollten.“ Das ist nur, weil du eine Frau bist. Das kannst du nicht, weil du eine Frau bist. Solche Sätze hat sie oft gehört. Erlebt hat sie auch, dass ältere, sehr konservative Professoren es ablehnten, mit Frauen wissenschaftlich zusammenzuarbeiten. „Auf einer Mathematikkonferenz hat mich die Ehefrau einer der Professoren einmal gefragt, warum ich das als Frau überhaupt machen wolle.“ Für die Ehefrauen hatte man extra ein Parallelprogramm mit einer Stadtrundfahrt organisiert.