Startseite
Icon Pfeil nach unten
ZZ Fallback
Icon Pfeil nach unten

Giftschlangen auf dem Pausenhof

Kaufbeuren/Ukunda

Giftschlangen auf dem Pausenhof

    • |
    • |
    KF Kenia Lehrer
    KF Kenia Lehrer Foto: RiegerNa

    Herzliche Lehrer, wissbegierige Schüler und Giftschlangen im Pausenhof – das und vieles mehr fand der Kaufbeurer Pensionär Josef Müller vor, als er für einen fünfwöchigen Freiwilligendienst nach Ukunda (Kenia) reiste. Der ehemalige Gymnasiallehrer hatte eine Privatschule kontaktiert und ihr angeboten, ohne Lohn zu unterrichten und auch für alle weiteren Kosten selbst aufzukommen. Prompt wurde er eingeladen. Ein halbes Jahr später saß er im Flieger auf dem Weg ins Abenteuer. Im Gepäck: Englischlektüren, Badmintonschläger, Buntstifte und 22 abgelegte Fußballausrüstungen des TSV Oberbeuren als Spende des Vereins.

    Ursprünglich hatte Müller bei einem Keniaurlaub mit seinem Sohn die St.-Joseph-Grundschule kennengelernt. Wieder zuhause, schrieb er an den Schulleiter und bot ihm seine Dienste an. Die Motivation für die Freiwilligenarbeit: „Dort kann ich nützlich sein“, erklärt der 65-Jährige. Müller gab etwa 18 Stunden pro Woche Englischunterricht. „Anders als in Deutschland habe ich nie einen Schüler mahnen müssen“, denn keiner sei frech gewesen, erklärt Müller. Faule Schüler gebe es allerdings auch dort. Zusätzlich hat der Oberbeurer Deutschstunden in den Pausen angeboten, die sehr gut angekommen seien. „Der Touristenstrand ist nicht weit weg, da kann deutsch später mal hilfreich sein“, mutmaßt er. Außerdem seien die Kinder schlicht neugierig gewesen: Sie wollten viel über Deutschland wissen und hätten ihn ausgefragt, was für Tiere es hier gibt und wie das Land aussieht.

    Während es den Kindern nicht an Neugierde fehlte, mangelte es an einer guten Schulausrüstung. Die Bücher in St. Joseph, erzählt Müller, waren vergilbt und abgenutzt, und die Pulte, ein altes Geschenk aus Italien, viel zu klein. Insgesamt hat die Schule vier Computer, jedoch noch keine Internetanbindung. Auf dem Pausenhof wachsen Palmen und ab und an verirrt sich eine Giftschlange dorthin. Wenn es stark regnet, trommelt es so laut auf die Wellblechdächer der Schule, dass die Kinder Müller nicht mehr verstehen konnten.

    Erschrocken war der Rentner über die Erziehungsmethoden an der Schule. Kinder bekämen leichte Tatzen mit Stöcken, wenn sie zum Beispiel die Hausaufgaben nicht gemacht haben. Aus welch einfachen Verhältnissen manche Schüler stammten, wurde auch beim Mittagessen klar. So seien die Kinder über die Bohnen-, Mais-und Reisgerichte begeistert gewesen, die jede Woche auf dem Speiseplan standen. Als Müller nach dem Grund fragte, haben Lehrer erzählt, dass manche Kinder daheim fast gar nichts zu essen bekämen. Manchen werde während der ersten Unterrichtsstunden schlecht, da sie an dem Tag noch nichts gegessen hätten. Diese Kinder erhielten dann etwas von der Schule, um bis zum Mittagessen durchzuhalten.

    Trotzdem sei die Schule im Vergleich zu den staatlichen Einrichtungen ein Paradies. Schüler in St. Joseph müssen 500 Euro Gebühren pro Jahr zahlen, wobei es auch Stipendien für Bedürftige gebe. Öffentliche Schulen sind in Kenia laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) von der ersten bis zur zwölften Klasse kostenlos. Die ersten acht Jahre verbringen die Schüler an einer „Grundschule“, dann wechseln sie auf eine weiterführende Schule. In der privaten St-Joseph-Schule, welche mehr Jungen als Mädchen besuchten, hätten oft die Verwandten zusammengelegt, um einem Kind den Besuch zu ermöglichen.

    Der Vergleich zu Deutschland ist in vielerlei Hinsicht krass: „Bei uns haben die Erstklässler 30 verschiedene Stifte.“ Davon könnten die Kinder an der St.-Joseph-Grundschule nur träumen. Gleichzeitig sei den Kindern bewusst, dass andere Länder reicher sind. „Die Schüler sehen, dass es Luxus und Komfort in der Welt gibt, nur sie haben den eben nicht. Und da streben sie hin.“ Traurig geworden ist Müller, als die Kinder ihm erzählten, dass sie später Pilotin oder Ingenieur werden wollen. Die Chancen dafür seien gering, glaubt der Pensionär.

    „Der Abschied ist mir schwergefallen“, gibt Müller zu. Lehrer und Schüler seien so herzlich zu ihm gewesen. An seinem letzten Tag haben alle 400 Schüler ein Lied für ihn gesungen und er hat Dankeschönurkunde bekommen. Für diesen Sommer hat Müller den Schulleiter der St.-Joseph-Grundschule nach Kaufbeuren eingeladen. Zudem würde der Pensionär gerne eine Partnerschaft seines alten Gymnasiums in Marktoberdorf mit Kenia anregen und zum Beispiel bei Aktionen für sie sammeln. „Ich möchte unbedingt nochmal zurück“, sagt Müller. Der Schulleiter hat ihn bereits wieder eingeladen, vielleicht wird er schon kommenden Winter wieder hinfliegen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden