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„Immer wieder neonazistische Parolen“

Lipp:

„Immer wieder neonazistische Parolen“

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    Herr Lipp, kommen rechte Schmierereien in Wangen und Umgebung derzeit gehäuft vor?

    Aus Wangen und Umgebung werden uns immer wieder Schmierereien mit ausdrücklich neonazistischem Bezug gemeldet. Darüber hinaus mussten wir in der Vergangenheit auch Aktionen der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“ in der Region dokumentieren. Ich denke da an den Versuch einer Demonstration in Ravensburg oder an eine ehemalige Unterkunft für Asylsuchende in Berg. Unbekannte verschafften sich gewaltsam Zugang zu der Unterkunft. Als das auffiel, war die Eingangstüre mit Aufklebern der „Identitären“ beklebt.

    Ist es Ihrer Einschätzung nach eine Gruppe oder sind es mehrere Einzeltäter, möglicherweise auch Trittbrettfahrer?

    Bezüglich des gestohlenen und mit Parolen beschmierten Grundgesetzes und der rassistischen Sprüherei mit NS-Bezug an der Alten Sporthalle geht ja bereits die Polizei von einem Zusammenhang aus. Wir sind aber sicher, dass auch am Jugendzentrum Tonne, das sich ja in der Vergangenheit gegen rechts engagierte, dieselben Täter am Werk waren. Entsprechende Hinweise haben wir der Polizei übergeben. Sie zu veröffentlichen würde deren Arbeit erschweren.

    Ist Wangen im Vergleich zum restlichen Westallgäu ein „ruhiges Pflaster“?

    Das fällt mir schwer zu beantworten. Tatsächlich scheint es, als kämen derartige Vorfälle im Württembergischen Allgäu seltener vor als auf der bayerischen Seite. Die Region ist aber auch statistisch extrem auffällig, wenn man sich die Zahlen der Polizei ansieht. Einen so drastischen Ausreißer nach unten können wir uns eher dadurch erklären, dass man das Problem nicht so stark wahrnehmen möchte. Auch unser Netzwerk an Informanten ist in Wangen und Umgebung zugegebenermaßen noch ausbaufähig.

    Was können Bürger tun, wenn sie solche Parolen entdecken?

    Am besten eine Meldung mit Foto an unser Portal „Allgäu rechtsaußen“ schicken. Dann können wir das dokumentieren und das Bild vervollständigen. Dabei können auch Dinge helfen, die zunächst nach Kleinigkeiten aussehen. Auch eine Meldung an die Polizei ist sicher nicht verkehrt. Wer dabei aber anonym bleiben will, kann den Umweg über uns gehen. Ich kann als Journalist absolute Vertraulichkeit und Anonymität auch gegenüber Behörden zusichern. Das gilt vor allem für Beobachtungen von rechten Aktivitäten jenseits von Sprühereien. Und vor allem: Das Problem ernst nehmen und öffentlich thematisieren.

    Wie agieren Neo-Nazis im Allgäu allgemein, eher verdeckt oder offen? Immer mal wieder gab es in den vergangenen Jahren zum Beispiel Probleme mit Konzerten im Raum Aichstetten. Ist das noch aktuell?

    Das ist es und wird es wohl auch bleiben. Die Konzerte fanden in Gehöften statt, auf die die Neonazikameradschaft „Voice of Anger“ einen sehr unmittelbaren Zugriff hat. Das Gebäude bei Bad Wurzach ging nach unseren Recherchen wenige Tage vor einem Konzert zum 15-jährigen Bestehen der Skinheadgruppierung in das Eigentum eines ihrer Vertreter über. Nicht zu unrecht befürchten Nazigegner, dass sich dort ein Hotspot und Rekrutierungspunkt der Neonazis entwickeln könnte. Mitglieder kennen wir auch in Wangen und Umgebung. Hier machte vor einigen Jahren eine offenbar martialisch ausgerüstete selbst ernannte Bürgerwehr Wangen von sich reden, wie ich damals für „Zeit online“ berichtete. Offenbar um gegen Geflüchtete vorzugehen, hatte man sich mit Handschellen, Gasmaske und Baseballschläger ausgerüstet.

    Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung der Szene rund um Wangen ein?

    „Voice of Anger“ ist nicht der einzige im Allgäu aktive extrem rechte Akteur. Wir wissen etwa von Kontakten zwischen „Voice of Anger“ und der „Identitären Bewegung“. Die Neonazipartei „Der Dritte Weg“ verteilt laufend Flugblätter und hält vereinzelt Kundgebungen ab. Immer wieder machen auch Reichsbürger von sich reden, es gibt eine NPD und eine ganze Reihe von Neonazibands. Dazu verfügt die AfD gerade auch im Allgäu über ein Personal von ganz rechts außen. Damit tritt sie vielfach öffentlich auf und wird auch in Zukunft einer Rechtsentwicklung der Gesellschaft Vorschub leisten.

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