In wenigen Wochen endet ein Stück Kemptener Wirtschaftsgeschichte. Die Planenfabrik Theodor Kremser macht Schluss. Geschäftsführer Ullrich Kremser wird an diesem Tag 67 und seine beiden Kinder wollen den Betrieb nicht weiterführen. Damit wird das letzte Kapitel großbürgerlicher Textilfamilien in Kempten zugeschlagen.
Angefangen hat alles 1806, als Kupferschmied Simon Kremser aus Telfs nach Kempten wanderte und hier mit Stuibaier Glocken handelte. Einmal hatte er drei Zentner Eisen auf seiner Kraxe und deshalb wurde ihm der bayerische Zoll erlassen, wird in der Familie seit Generationen erzählt. Dabei war der Gründer keineswegs ein Herkules. „Der war nur 1,61 Meter groß und damit drei Zentimeter größer als ich“, lacht Ullrich Kremser.
An der Salzstraße gründete Simon Kremser zunächst einen Eisenwarenhandel in der Stiftsstadt. Das Geschäft florierte und wurde durch Simon jun. um den Handel mit Salz aus Salinen in Bad Reichenhall erweitert. Weil die Salzfässer schwer waren, hatte Kremser die Idee, sie in Säcke umzupacken. Mit schottischer Jute hatte er Erfolg. 1868 eröffnete Gründerenkel Theodor die erste deutsche Sackfabrik. Er gehörte zu den 20 Kemptenern mit den größten Steuerabgaben.
„Vor dem Ersten Weltkrieg wurden bei meinem Großvater Erwin jährlich über eine Million Säcke angefertigt“, sagt Ullrich Kremser. Das Geschäft lief bis in die Nachkriegszeit. Herbert Kremser erlebte, wie die US-Alliierten 1945 seine letzten Jutevorräte beschlagnahmten. Das Geschäft schien am Ende. Dazu kam, dass sich Papiersäcke durchsetzten. „1959 gab mein Vater die Sackfabrik auf und sattelte auf Planen um“, erinnert sich Ullrich Kremser. Es war damals gerade in die Schule gekommen.
Nach dem Abitur studierte er gerade im dritten Semester BWL in München, als sein Vater 1974 überraschend mit nur 55 Jahren starb. „Das war der wohl kniffligste Moment in meinem Leben. Meine Mutter ging ins Büro, ich war von Dienstag bis Donnerstag an der Uni und die anderen Tage im Geschäft“, sagt der Diplom-Kaufmann.
Das Geschäft mit Lkw- und Anhängerplanen läuft bis heute. Lange lieferte es die Planen für die Allgäuer Festwoche. „Schwierig waren die Überdachungen am Pavillon.“ Inzwischen ist die Nachfrage aus dem Freizeitbereich für Camping, Caravans und Boote stetig gewachsen. Das Geschäft will Mitarbeiter Errahi Tiras fortführen, der gerade nach Räumen sucht. Das Gebäude an der Eberhardstraße bleibt in Familienbesitz und wird weiterentwickelt.
Familie Kremser gehörte zu den großbürgerlichen Familien, die das Wachsen der Stadt im 19. Jahrhundert gestalteten. Theodor Kremser war ein Initiator des Stadtparks und stellte dazu ein Grundstück südlich des Zumsteinhauses zur Verfügung.
Ullrich Kremser ist traurig, dass die Firma nicht fortgeführt wird: „Aber alles hat seine Zeit.“ Seine Kinder Florian und Amelie arbeiten in München. Er selbst will sich weiter in die Kemptener Gesellschaft einbringen. Seit 36 Jahren sitzt er im Stadtrat, war Vorsitzender der Johanniter Unfallhilfe, des TVK 1856, bei den Wirtschaftsjunioren und in Elternbeiräten, Schöffe und Handelsrichter. Im Ruhestand will er mit seiner Frau Maria reisen: „Urlaub war bisher ein Fremdwort.“