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„Nicht die Asche bewahren, sondern das Feuer weitergeben“

Oberallgäu

„Nicht die Asche bewahren, sondern das Feuer weitergeben“

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    Er gehört zum Allgäu wie die Schürze zum Dirndl – der Jodler. Kaum etwas klingt mehr nach blauen Bergen und grünen Wiesen als das wortlose, jauchzende Singen mit kraftvoller Stimme, das im Wechsel tief aus der Brust oder hoch aus dem Kopf den steinernen Gipfeln der Alpen entgegengeschmettert wird. Und doch ist diese Tradition für das Allgäu nur halb so urig wie landläufig gedacht.

    Der Jodler ist im Grunde genommen nämlich gar kein Hiesiger sondern ein Zu’zogener, ein Nei’gschmeckter – er schwappte aus dem Oberbayerischen (Ho la dri ho) und aus der Schweiz (Jo hu du lo) zu uns. Das untermauern etliche Publikationen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, etwa der Essay „Heimat ist, wo ich bin“ von Dagmar Held. Darin beschreibt sie, dass nicht nur der Jodler importiert ist, sondern dass Anfang des 20. Jahrhunderts selbst Schulkinder noch keine Lieder im Allgäuer Dialekt gesungen haben. Die Stücke kamen aus Tirol und Oberbayern.

    Doch dabei ist es selbstverständlich nicht geblieben. In Dörfern quer über das Allgäu verteilt wurden Lieder kurzerhand in Dialekt übersetzt, die Jodelformen vermischten sich zu einem Allgäuer Jodelstil (Jo la dri ho) und männerdominierte Gesangsgruppen bildeten sich. Sie traten bei Jodel-Wettbewerben an. Nicht zuletzt formierte sich 1949 der erste Allgäuer Lieder- und Jodlertag. Er lockt bis heute viele Musiker, die laut Held mit einem erstaunlich gleich gebliebenen Repertoire an Liedern auftreten.

    „Es ist gut, die Wurzeln zu kennen“, sagt Hedwig Roth, 42. Die Oberallgäuerin jodelt seit ihrem 18. Lebensjahr, ist Mitglied der Jodlergruppe Vorderburg. Doch nicht die Tatsache, dass sie als Frau die gewaltigen Töne beherrscht und andere lehrt, ist das Ungewöhnliche. Nein, Hedwig Roth jodelt auch mal disharmonisch. Also nicht nach gängigen Mustern, sondern frei nach Gefühl. So etwa mit der Band „Vuimera“, die mit Instrumenten vom Klavier über Saxofon bis hin zur Steirischen auftritt. Bei Konzerten haben die sieben Musiker keine Noten. „Es ist nur abgemacht, wer wann mit wem spielt. Aber nicht, was.“ Das muss es auch nicht. Musizieren heiße, Spaß zu haben, sich inspirieren zu lassen, frei zu sein. Genau um diese Freiheit drehe sich das Jodeln. Richtig und falsch gibt es dabei nicht. Allein das gute Gefühl zählt.

    Roth mischt Stile, plant eine Konzertreihe mit anderen Musikern, vielleicht zu afrikanischen Trommeln oder zu Alpenpunk. Denkbar sei alles, sagt sie. „Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern das Feuer weiterzugeben.“

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