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Spielend zurückkehren ins Leben

Bad Wurzach

Spielend zurückkehren ins Leben

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    Durch das Foyer der Rehabilitationsklinik Bad Wurzach schwirren Jazzklavierklänge: Chick Corea‘s „Children´s Songs“. Das Publikum, Patienten auf dem Weg von der Therapie in die Mittagspause und viele Therapeuten, wippen mit. Am Klavier: Ein Duo – das grüne T-Shirt weist die Pianistin als Therapeutin aus. Es handelt sich also nicht um ein ganz normales Unterhaltungskonzert.

    Es ist das Abschiedskonzert von Friedhelm Enz, seit anderthalb Monaten Patient in der Fachklinik für Orthopädie, Neurologie und Altersmedizin. Verena Jungwirth und Friedhelm Enz haben am gleichen Tag in Bad Wurzach begonnen. Sie als Musiktherapeutin, er als Patient. Drei Wochen lag der 61-Jährige nach einer Hirnblutung im Koma. In die Rehabilitationsklinik kam er nach drei Monaten Krankenhausaufenthalt als Patient der Phasen C und D, erläutert Chefarzt Dr. Markus Schlomm. Diese Patienten seien in der Regel erheblich in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt.

    Enz, gelernter Werkzeugmacher, spielte vor seiner Erkrankung in drei Bands Klavier und Gitarre. Die Krankheit traf ihn schwer. An das Musizieren war zunächst gar nicht zu denken. „Dabei hat mir Musik immer geholfen“, berichtet er. „Umso schlimmer war, dass ich nun überhaupt keine Musik mehr machen konnte.“

    Gerade für neurologische Patienten wie Friedhelm Enz habe man in der Waldburg-Zeil Klinik die Musiktherapie aufgebaut, sagt Chefarzt Schlomm. Denn sie gebe umfassende Impulse in den Bereichen Sprache, psychisches Befinden, kognitive Fähigkeiten, Koordination und Motorik. Musiktherapeutin Verena Jungwirth ergänzt: „Viele Patienten können zum Beispiel nach einem Schlaganfall nur eingeschränkt oder gar nicht sprechen, weil das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte gestört ist.“ Singen hilft Menschen, wieder sprechen zu lernen. Denn die von der Musik angesprochenen Zentren im Gehirn knüpfen neue Verbindungen. Hinzu kommt die Möglichkeit von Klangreisen sowie die emotionale Seite der Musik. Über diese können sich Patienten ausdrücken, selbst wenn ihnen die Worte fehlen. So ergänzt die Musiktherapie in Bad Wurzach alle anderen angebotenen Behandlungsmöglichkeiten.

    Auch Friedhelm Enz berichtet, dass er nach der Gehirnblutung keine Stimme mehr hatte. Stimulierend wirkten bei ihm ebenfalls die Logopädie, Ergo- und Physiotherapie. Zusammen mit Musiktherapeutin Jungwirth tastete er sich langsam über rhythmische Übungen zum Beispiel mit dem Shaker mit vielen kleinen Schritten an das Klavier heran. Die Therapeutin half ihm, seine Hände zu koordinieren und Bewegungen über den Rhythmus wieder fließender auszuführen.

    Die hörbaren Fortschritte am Klavier und die Atmosphäre in der Klinik motivierten Enz besonders. Da lag es für ihn nahe, zusammen mit Jungwirth zu musizieren und schließlich erstmals seit der Gehirnblutung wieder aufzutreten – in der Klinik. Mit seinem Abschiedskonzert möchte er sich bedanken. „Und ich möchte anderen Mut machen, zeigen, was dank der Therapie alles wieder funktionieren kann“, sagt Enz. Auf ihn warten zuhause jedoch noch zahlreiche Herausforderungen: die oft unebenen Dorfwege, die Verbindung von ambulanter Therapie und Alltag sowie irgendwann wieder zu Beruf und Band zurückzukehren.

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