Tausende von tanzenden Füßen haben das Gras vor der Bühne niedergetrampelt. Beim Auftritt von Techno-Superstar Paul Kalkbrenner am Samstagabend wirbelt Staub durch die Luft, während die letzten Sonnenstrahlen des Tages über das Gelände scheinen. „Die Hauptbühne ist besonders geil, weil der sandige Boden so geil zum Tanzen ist“, schwärmt Sam (28) aus Füssen.
Mehr als 40 000 Menschen feiern am Pfingstwochenende auf dem Ikarus-Festival in Memmingerberg (Unterallgäu). Zur fünften Auflage der Riesenparty kommen damit fast so viele Besucher, wie das benachbarte Memmingen Einwohner hat. Aber was zieht Tausende von jungen Menschen einmal im Jahr ins Unterallgäu? Die bekannten Namen von Stars wie Paul Kalkbrenner und Lost Frequencies? Die Auftritte von Größen der Electro-Techno-Szene wie Pappenheimer und Sam Paganini? Oder einfach die Aussicht, bei Sonnenschein auf dem Festival-Campingplatz feiern zu können? Es ist eine Mischung aus allem.
Auf dem Ikarus spielen etwa 100 Künstler auf sechs Bühnen. Die größte ist die „Olymp Stage“. Die Metallkonstruktion ist teilweise mit Holzbrettern, teilweise mit roten Abdeckungen verkleidet. Zwei weitere Bühnen haben die Veranstalter in ehemaligen Flugzeughallen aufgebaut. Bei einer hängen vier große Buchstaben aus Holz direkt über dem Mischpult des DJs: „ONOS“ – der Name der Bühne. Links und rechts dröhnen dumpfe Bassschläge aus meterhohen Boxen. Vor der Halle tanzen junge Menschen in der Sonne, ihre Taschen legen sie einfach neben sich auf den Betonboden.
Eineinhalb Stunden lang spielt Frederic Stunkel am Samstagnachmittag auf der Onos-Bühne. Der Ulmer ist unter anderem schon auf dem bekannten Technofestival Nature One im Hunsrück aufgetreten. Was das Ikarus ausmacht? „Hier fühlt man sich einfach wohl. Da steckt Stil und Qualität dahinter: Das Konzept passt vom Eingang bis zum Klo“, sagt er. Nach seinem Auftritt schlendert er mit seiner Begleiterin Maria Giunta noch zu den anderen Bühnen. Die verschiedenes Genres der elektronischen Musik seien auf dem Festival einfach gut abgedeckt, sagt er. „Jeder hat die Möglichkeit, seine Künstler zu sehen.“
Neben der „Onos Stage“ führt ein etwa drei Meter breiter Gang in ein kleines Wäldchen hinein. Der Boden ist mit Hackschnitzeln bedeckt. Die Besucher laufen durch mehrere Holzbögen tiefer in den Wald. Ein Ordner passt auf, dass dort keiner eine Zigarette raucht. Der Gang endet. Zwischen Tannen und Fichten tanzen Techno-Fans vor einer handgezimmerten Holzbühne, die ein junges Künstler- und Handwerkerteam gebaut hat. Lila und blaue Lichtkegel wandern zwischen den Ästen hin und her, weißer Rauch steigt vom Boden auf und verwandelt das Waldstück in einen geradezu mystischen Ort.
Die „Forest Stage“ gibt es heuer zum zweiten Mal und sie ist der absolute Publikumsliebling auf dem Festival. „Geile Lichteffekte, die Atmosphäre ist super – da gibt es nichts auszusetzen“, sagt Florian Wagner. Der 25-Jährige hat im Internet vom Ikarus erfahren und ist zusammen mit seiner Begleiterin Sandra Hechler aus Tübingen angereist. Beide tragen Strohhüte zum Schutz vor der Sonne. Gerade sitzen sie auf dem Asphalt in der Street-Food-Meile – Hechler im schwarzen Bikini, Wagner im Tanktop. Von einem Stand, wo es asiatische Nudeln gibt, weht ein würziger Geruch herüber.
Die Bühnen, die Musik, das Essen – das gefällt den beiden Technofans am Ikarus-Festival in Memmingerberg. Allerdings: „Es sind viele da, die keine Ahnung von Techno haben“, findet Hechler. Ihr Freund ergänzt: „Viele fangen auch morgens schon an zu trinken.“ Außerdem fehlen ihnen Stellen, an denen sie ihre Wasserflaschen auffüllen können. „Wir mussten das immer auf dem Klo erledigen“, erzählt Sandra Hechler.