Endlich hatte er sie alle auf einem Fleck: alte Segelkollegen, nacheifernde Talente, Schulfreunde, die Eltern, Freundin Caro. Auch die Allgäuer Ironman-Legende Axel Reusch, der erste Unterstützer Marc Wenz und unzählige Weggefährten waren gekommen, um Philipp Buhl zu begrüßen. Die Stadt Sonthofen hatte dem besten Segler der Welt, dem ersten deutschen Laser-Weltmeister in der Geschichte, den roten Teppich ausgerollt. Der 30-jährige Athlet vom Segelclub Alpsee-Immenstadt hatte im australischen Melbourne am 16. Februar seinen WM-Triumph perfekt gemacht. Nach dem Gespräch mit Bürgermeister Christian Wilhelm, dem Eintrag ins Goldene Buch und einer emotionalen Dankesrede, haben wir die Gelegenheit genutzt und mit Philipp Buhl die vergangenen Wochen Revue passieren lassen.
Herr Buhl, Sie stehen ungern im Mittelpunkt – wie sehr hat Sie der Empfang in Sonthofen dennoch bewegt?
Es rührt mich, dass so viele Menschen gekommen sind, die in meinem Leben in so vielen Bereichen so wichtig für mich waren und sind. Das sind besondere Momente.
Welche Bedeutung hat es für Sie, dass Ihnen Ihre Heimatstadt so einen herzlichen Empfang bereitet?
Ich bin unendlich dankbar. Wer weiß, ob ich das jemals wieder erleben darf. Aber ich weiß, dass ich ohne meine Eltern, ohne all die Freunde und Unterstützer nicht da wäre, wo ich heute bin.
… auf dem Gipfel. Mit der Distanz von zwei Wochen – können Sie inzwischen begreifen, was Sie in Australien geschafft haben?
Ich habe wohl das Meiste nach dem Rückflug realisiert. Es war eine Mehrzahl an herzlichen, richtig gönnerhaften Nachrichten – das hat es mir deutlich gemacht. Und außerdem war es wichtig zu erkennen, dass ich mir die Chance zu gewinnen wirklich erarbeitet habe. Denn eine Garantie hat man nie. Ich habe eine feste innere Zufriedenheit gefunden. Egal was in meiner Karriere noch kommt – mit dem WM-Titel im Rücken kann alles kommen. Aber nichts muss mehr.
Wie nah ist der Erfolg noch?
Sehr nah. Aber der Feiermarathon ist dann irgendwann auch vorbei. Es waren einige Empfänge und Feierlichkeiten mit Freunden in der Heimat. Ich weiß, dass mich der Erfolg auch nicht verändert. Wenn, dann nur, dass ich sehr zufrieden bin. Gelassen. Irgendwie im Reinen.
Wie groß waren der Trubel und die Aufmerksamkeit in den Tagen danach?
Mein Handy ist vor Nachrichten explodiert: viele Partner, Freunde und Unterstützer. Aber ich habe versucht, nicht alles zuzulassen, sondern nur den Moment zu genießen und in dieser Stunde nicht nur am Handy zu hängen.
Sie haben den WM-Titel immer als großen Karrieretraum bezeichnet. Sehen Sie im Gewinn auch den verdienten Lohn nach so vielen Jahren Arbeit?
Ob er verdient ist, weiß ich nicht. Es ist ein bisschen Stolz, sicher. Zufriedenheit ist es aber deshalb, weil ich weiß, dass ich nicht umsonst gearbeitet habe. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr weiß ich, dass nicht alles umsonst war. Es ist ein Privileg, dass ich diesen Sport auf diesem Niveau machen darf. Und dass ich so einen Titel holen kann, erfüllt mich total.
Wann haben Sie gemerkt, dass es Ihre Weltmeisterschaft werden kann?
Ich wusste, dass ich alle Fähigkeiten und Kniffe verfügbar hatte – aber ich musste nur dazu bereit sein, mental wenn es darauf ankommt, sie auch abrufen zu können. Und dann hat es sich so gefügt, das eine kam zum anderen. Gute Wetterverhältnisse, stabiler starker Wind und ein guter zweiter Tag gegen den Top-Segler Matt Wearn. Das hat mir einen wahnsinnigen Kick fürs Selbstvertrauen gegeben.
Und wann haben Sie gespürt, dass es für den großen Wurf reichen kann?
Sogar am Abend vor dem letzten Tag wollte ich mir noch sagen: ,Jetzt reiß’ dich am Riemen und zieh’ es durch – wer weiß, wann diese Chance wiederkommt.’ Ab dem Zeitpunkt habe ich mir keine Wenn-Fragen mehr gestellt, sondern habe versucht, nur noch im Jetzt zu leben und nicht mehr zu viel denken.
Sie waren vor der letzten Wettfahrt schon so gut wie Weltmeister. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Richtig, es hätte eigentlich nicht mehr viel passieren können. Diese Fahrt war purer Genuss. Aber dadurch habe ich bei der Zieldurchfahrt auch keine Ekstase erlebt – dieses Glücksgefühl des WM-Titels hat sich kumuliert.
Sie sprechen viel von Glück und Zufriedenheit. Sehen Sie den WM-Titel als Vollendung Ihrer Karriere?
Ob meine Laufbahn damit komplett ist, weiß ich nicht – sonst müsste ich sofort aufhören. Aber der Rest, der noch kommt, ist Zugabe.
Sie denken nicht an Rücktritt?
Nein. Ich habe viel von Jan Frodeno gelernt. Er hat alles erreicht und doch nicht aufgehört, weil er es so genießt. Das hat mich wahnsinnig fasziniert. Ich kann auch mit 35 noch konkurrenzfähig sein. Aber ich weiß auch, dass ich diesen Job nicht ewig machen kann. Da haben mir viele Dinge, die ich erfahren habe, die Augen geöffnet.
Schließlich wartet noch ein Karrierehöhepunkt im kommenden Sommer ...
Es ist auch ein Privileg, wenn ich bei Olympia in Tokio starte. Es ist ein schönes Gefühl, dass ich hinfahren kann und nicht eine Medaille holen muss. Eine dankbare Aufgabe für den mentalen Zustand. Ich mache den Sport ja nicht nur wegen der Titel, sondern aus Leidenschaft.