Bis vor Kurzem konnten sich viele Orte am Gardasee kaum vor Urlaubern retten. Ansässige Gemeinden und Verbände klagten sogar über die negativen Auswirkungen des Massentourismus und forderten Maßnahmen zur Eindämmung der Besucherströme. Doch nun scheint die Situation am größten See Italiens zu kippen: Deutsche und italienische Gäste bleiben zunehmend fern. Hotels, Restaurants und Einzelhändler müssen mit Einnahmeverlusten zurechtkommen. Warum die Besucherzahlen zurückgehen und weshalb die Einheimischen mit den neuen Touristen, die jetzt statt den ehemaligen Stammgästen den Gardasee für sich entdecken, nicht zufrieden sind.
Leere Straßen, Geschäfte und Restaurants: Weniger deutsche Touristen am Gardasee
Der Gardasee scheint als Urlaubsziel diesen Sommer bislang nicht so viele Touristen anzulocken wie sonst üblich. Nach Berichten der italienischen Tageszeitung Corriere del Veneto fällt die aktuelle Zwischenbilanz für die Branche eher enttäuschend aus. „Die Saison läuft dieses Jahr nicht so gut, wie man glauben machen will“, heißt es dort von Gastronomen, Hoteliers und Händlern. Die globalen Krisen und der Anstieg der Lebenshaltungskosten schwächen die Kaufkraft der Menschen in Europa ab, worunter auch der Tourismus am Gardasee leide.
„Die Deutschen und Italiener fehlen“, klagt Fabio Pasqualini im Gespräch mit der Zeitung. Er betreibt in Bardolino mehrere Lokale und Geschäfte, vermietet Unterkünfte an Touristen und ist Präsident des Handelsverbands Confcommercio Bardolino. Das Ausbleiben der Urlauber treffe insbesondere den Handel schwer. Die Branche rechne im Vergleich zum Vorjahr mit einem Rückgang von zehn bis 20 Prozent, schildert Pasqualini. Zudem werde das Nachtleben am Gardasee immer ruhiger. Wo sonst bis spät in die Nacht Betrieb herrschte, sei jetzt nach 23 Uhr kaum noch etwas los. Wie der Corriere del Veneto bestätigt, blieben viele sonst stark frequentierte Innenstädte und Straßen rund um den Gardasee im Juli ungewöhnlich leer.
Diese Entwicklung deutet auf einen spürbaren Einschnitt des Tourismus-Booms hin, den die Region in den vergangenen Jahren erlebte. Einer Erhebung des italienischen Umweltverbands Legambiente zufolge stieg die Zahl der Touristen am Gardasee im Zeitraum zwischen 2014 und 2024 um ganze 27 Prozent an. Mehr als 18 Millionen Urlauber kamen demnach im letzten Jahr allein in den Sommermonaten. Da die diesjährige Saison noch nicht vorüber ist, liegen für 2025 noch keine offiziellen Besucherzahlen vor. Doch die aktuellen Erfahrungsberichte der ansässigen Gastgewerbetreibenden lassen auf einen merklichen Rückgang schließen.
Warum gehen die Besucherzahlen am Gardasee zurück?
Hotelbetreiber am Gardasee sehen sich wie auch der Einzelhandel mit Umsatzeinbrüchen konfrontiert. In dieser Saison würden vor allem die kurzfristigen Last-Minute-Buchungen wegfallen, äußert sich die Präsidentin der Hoteliers von Lazise, Virginia Torre, im Corriere del Veneto. Viele Gäste würden zudem nur noch wenige Tage oder übers Wochenende bleiben. Als Hauptgrund für den Rückgang der Gardasee-Besucher nennt Torre die stark gestiegenen Urlaubskosten in der Region. Auch Giovanni Bernini, Präsident des Campingplatzverbands Asso Camping, pflichtet ihr bei. Immer mehr Touristen würden von den zu hohen Preisen am Gardasee abgeschreckt.
Ein weiteres Hindernis ist die aktuell erschwerte Anreise-Situation für deutsche Urlauber. Durch Bauarbeiten auf der Brennerautobahn kann die Fahrbahn derzeit streckenweise nur einspurig befahren werden. Das halte viele davon ab, die Reise zum Gardasee auf sich zu nehmen, erklärt Pasqualini im Corriere del Veneto: „Früher dauerte die Fahrt aus Bayern fünf Stunden, jetzt braucht man sieben. Selbst diejenigen, die hier einen Zweitwohnsitz haben, kommen nicht mehr jedes Wochenende her.“ Und auch die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln gestaltet sich diesen Sommer schwierig, da Wartungsarbeiten auf der Zugstrecke für Sperrungen sorgen.
Wieso Urlauber aus Nordeuropa den Tourismus am Gardasee nicht retten können
Statt Deutschen und Italienern würden nun mehr Besucher aus nordeuropäischen Ländern wie den Niederlanden oder Dänemark an den Gardasee kommen. Doch diese könnten die fehlenden Umsätze im Gastgewerbe nicht ausgleichen, wie Pasqualini im Corriere del Veneto erläutert. Das liegt seiner Einschätzung nach an ihrem geringer ausgeprägten Konsumverhalten. Die Touristen aus Nordeuropa würden statt im Hotel lieber auf Campingplätzen übernachten, seltener Aperitifs trinken gehen und weniger in lokalen Geschäften einkaufen. Somit würden sie vor Ort nicht genügend Geld ausgeben, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Übrigens: Eine italienische Politikerin beschwerte sich kürzlich über ungleiche Voraussetzungen der an den Gardasee grenzenden Regionen und forderte faire Wettbewerbsbedingungen für den Tourismus an allen Uferseiten. Um trotz der Besucherflaute Gäste zu gewinnen, greifen manche Lokalbesitzer zu offensiven Werbemaßnahmen – doch eine Gemeinde am Gardasee hat das aufdringliche Anlocken von Passanten nun unter Strafe gestellt.
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