Ein Geheimtipp ist das längst nicht mehr. Denn der Stadtsaal war proppenvoll, als auch heuer wieder das Polizeiorchester Bayern zum Jahresanfang in Kaufbeuren gastierte. Unter dem Motto „Mit Schwung und Dolce Vita“ bot das Profi-Ensemble ein leicht verspätetes Neujahrskonzert, dessen Erlös dem Allgäuer Hilfsfonds zugutekommt.
Mit dem Österreicher Professor Johann Mösenbichler, seit 2018 auch offiziell Generalmusikdirektor der bayerischen Polizei, stand ein absoluter Spezialist am Pult, wenn es um die besondere Tradition der Wiener Neujahrskonzerte und den charakteristischen Dreier-Schlag beim Wiener Walzer geht. Aber auch bei den weiteren Programmpunkten, die ihren Ursprung andernorts, insbesondere weiter südlich in Italien haben, agierte Mösenbichler hochprofessionell und zeigte gleichermaßen Sinn für die große, aussage- und zugkräftige Linie wie für kleine, aber wichtige und präzise angezeigte Details.
Tenor Franz Gürtelschmied ist mit allen vokalen Wasser gewaschen
Die Moderation übernahm mit fundiertem Wissen und humorvoll-geschliffener Wortwahl Klarinettist Peter Seufert. Rundum für Begeisterung sorgte zudem Gesangssolist Franz Gürtelschmied. Der Tenor intonierte kraftvoll, mit Schmelz und Wandlungsfähigkeit im Timbre, und zeigte sich mit allen vokalen Wassern gewaschen - von der Oper über die Operette und das Musical bis hin zur Filmmusik oder zum gefühlvollen Schlager.
Die Italien-Begeisterung der Deutschen ist ja seit den 1960er Jahren legendär, eigentlich aber schon viel länger, wenn man an Goethes „Land, in dem die Zitronen blühen“ denkt, wie man aus Seuferts Moderationen erfuhr. Was lag also näher, als in einem Konzertprogramm mit dem Titel „Mit Schwung und Dolce Vita“ genau diesen spezifisch italienischen Stil der eleganten Lebens- und Genusszugewandtheit klanglich umzusetzen, und zwar verbunden mit prickelndem wienerischen Neujahrsschwung.
Im Programm geht es nach Venedig und zu einer österreichischen Kulturinstitution
Dabei wurde offensichtlich, wie facettenreich diese musikalische Dreiecksbeziehung zwischen Italien, Deutschland und Österreich ist, die das Publikum im Verlauf des Abends immer wieder zu begeistertem Applaus verführte. Den Anfang machte Tenor Gürtelschmied mit „Grüß euch Gott!“ aus der Carl-Zeller-Operette „Der Vogelhändler“. Damit sorgte er von Beginn an für gute Laune und den direkten Draht zum Publikum. Danach war man mit der Ouvertüre sowie dem „Lagunenwalzer“ aus „Eine Nacht in Venedig“ umgehend in der Lagunenstadt als Sehnsuchtsort und bei Johann Strauss als österreichische Kulturinstitution gelandet. Dessen spezielles musikalisches Idiom verstand das Berufsorchester unter Mösenbichlers Dirigat perfekt und routiniert zu vermitteln.
Nochmals Johann Strauß zum Genießen und Schwelgen gab es mit dem Konzertwalzer „Rosen aus dem Süden“, bevor das Polizeiorchester mit einer „Marcia Italiana“ von Vincenzo Petrali, ursprünglich als Orgelstück komponiert, der berühmten „Tarantella napoletana“ von Rossini und dem nicht weniger bekannten „Chianti-Lied“ von Gerhard Winkler weitere wichtige Stationen und Spielarten der mit Italien konnonierten Musik abschritt.
Der Beginn des zweiten Konzertteils fällt ein wenig aus dem Programmrahmen
Ein wenig aus dem Konzeptrahmen fiel nur die „Fanfare in jubilo“ des zeitgenössischen Schweizer Tonkünstlers Thomas Doss: Eine perfekte Intrade für den zweiten Konzertteil, die mit reizvollen Lichtwechseln auf alte venezianische Tänze aus der Monteverdi-Zeit zurückgreift.
Etwas ganz Besonderes schließlich war die Filmmusik zum preisgekrönten Fellini-Streifen „Amarcord“, in der Komponist Nino Rota mal eben nicht mit ungebremstem Bombast und ungezügelter Lebensfreude daherkommt, sondern fein, melancholisch und charmant die Italianitá der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts quasi auf das Format der kleinen Leute herunterbricht. Eine völlig andere Tongebung, die die Musiker absolut authentisch nachzeichneten.
Julie Giroux vereint alle italienischen Musik-Klischees, die man so im Ohr hat
Mit einer „Italian Rhapsody“ von Julie Giroux, einem wunderbaren Medley aus quasi allen italienischen Musik-Klischees, die man so im Kopf hat, außerdem mit „Granada“, ebenso von Gürtelschmied geschmettert wie „O sole mio“ im Zugabenblock, steuere das Konzert auf sein Ende zu. Aber den stimmigen Schlusspunkt setzte der „Radetzky-Marsch“ - was sonst?
Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse war auch als Vorsitzender des Allgäuer Hilfsfonds zugegen. Er hatte die Besucher begrüßt und ihnen eine „raschelnde“ Anerkennung des Abends beim Hinausgehen nahegelegt. Zweiter Bürgermeister Oliver Schill lobte die Ausführenden am Ende - zu Recht - in den höchsten Tönen.
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