Jeder Konzertort, jedes Orchester und auch jeder Musikverein hat so seine eigenen Traditionen und unverwechselbaren Merkmale. Die britische „Last Night of the Proms“, die New Yorker Broadway-Musicals oder die Wiener Neujahrskonzerte sind längst unverwechselbare Marken. Auch der Musikverein Germaringen hat mit seiner speziellen, auch von der Egerländer Blasmusik mitgeprägten „Farbe“ ein Alleinstellungsmerkmal. Warum also beim Neujahrskonzert nicht ein wenig etwas abschauen den „Großen“? Dass es aber kein simples Abkupfern wurde, sondern ein spannender und qualitativ überzeugender Musikabend, dafür sorgte Dirigent Eduard Hampp mit seinen Musikern im voll besetzten Germaringer Hof.
Am Beginn stand mit „Friends of Freedom“ von Karel Deseure ein etwa zehnminütiges, vielseitiges Stück, das ein perfekter Auftakt für jedes Konzert und erst recht für ein neues Jahr ist. Programmmusik in Reinform erlebte das Publikum dann in „Pilatus, Mountain of Dragons“ von Steven Reineke. Ein beliebtes Originalwerk, das die Germaringer mit all seinen atmosphärisch-inhaltlichen Aspekten musikalisch bestens ausleuchteten.
Auch den Reiz der irischen Volksmusik vermittelt der Musikverein Germaringen
Die „Kilkenny Rhapsody“ von Kees Vlak brachte die nächste, interessante Kehrtwende im Konzertablauf: Frische, lebhafte und aussagekräftige Gegensätze des Irish Folk – hier die mitreißend schnellen Tanzrhythmen, dort die melancholisch schönen, langsamen Melodien – machen den eigenwilligen Charme dieser spezifischen Volksmusik aus. Deren Reiz und Spaß vermittelten die Germaringer vorzüglich.
Über „My Dream“ von Peter Leitner, als Solo-Stück von der Flügelhornistin Michaela Weiser mit gefühlvoller Kantilene interpretiert, gelangte man schließlich zum „Pomp and Circumstance No. 1“ von Edward Elgar - unverzichtbarer Bestandteil der „Last Night of The Proms“. Dabei stellten sich das Blasorchester einem durchaus ambitionierten Vergleich: Obwohl Eduard Hampps Musiker das Tempo im Vergleich zu den Profi-Sinfonikern auf der Insel etwas zurückschraubten, verfehlte das Stück dennoch seine Wirkung nicht – weder bei der pathetischen Hymne „Land of Hope and Glory“, noch beim vertrackt-heiklen und schnellen Einleitungsteil, den die Germaringer nicht einfach wegließen.
Glamour, Show und „feiner Zwirn“ sind nach der Pause angesagt
Glamour und Show waren nach der Pause angesagt: Irving Berlins „There‘s no Business like Show Business” hatte den souveränen Moderator Christoph Steckermeier dazu veranlasst, für diese Nummer zwischenzeitlich in den „feinen Zwirn“ zu schlüpfen und sich auch als Sänger zu versuchen. Von der „großen Bühne“ ging es danach „zurück zu den Wurzeln, ins Festzelt“, und zwar mit dem Konzertmarsch „In Vita Optimum“ von Lukas Bruckmayer. Hier legten die Musiker mitunter größeres Gewicht auf den „Marsch“ als auf das „Konzert“ in der Stückbezeichnung.
Warum die Konzerte der Rock-Pop-Jazz-Singer-Songwriter-Ikone Adele in den vergangenen Jahren Mega-Events auf den größten internationalen Konzertbühnen waren und sind, machte der Musikverein Germaringen in der Art seiner Interpretation einiger ihrer Hits deutlich: Da gingen die Musiker spürbar selbst von der Musik bewegt mit, da vibrierte die Atmosphäre im Saal, und die suggestive Kraft von Adeles Musik riss mühelos auch das Publikum mit. Eine große Portion Wiener Neujahrskonzert wehte anschließend mit der „Tritsch-Tratsch-Polka“ von Johann Strauß (Sohn) in den Germaringer Hof hinüber, bevor mit einem interessant gebauten Medley mit Melodien aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ nochmals Broadway-Glanz angesagt war.
Martin Schlichterle war 56 Jahre lang aktiver Musikant, nun geht er in den Ruhestand
Nach diesem offiziellen Schlusspunkt verabschiedete Vereinsvorsitzende Daniela Högner Martin Schlichtherle nach 56 aktiven Jahren als Tenorhornist und Baritonist sowie 15 Jahren als Vorgänger im Amt des Ersten Vorsitzenden in den selbstgewählten Musikanten-Ruhestand. Für beide erkennbar eine durchaus emotionale Angelegenheit. Da Schlichtherle bereits Ehrenmitglied des Vereins ist, wurde er nunmehr zum Ehrenvorstand ernannt. Mit der „Garten-Polka“ als erste Zugabe, bei der Franziska Kreuzer und Christoph Steckermeier das Gesangsduo bildeten, kam man einem Wunsch des Geehrten nach. Denn dieser habe sich in besonderem Maße immer in der traditionellen Blasmusik beheimatet gesehen. Außerdem ehrte Herbert Hofer, Vorsitzender des Bezirks Kaufbeuren im Allgäu-Schwäbischen Musikbund (ASM), Markus Rist für 40 Jahre aktives Musizieren.
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