Was sind schon 200 Jahre! Die Musik aus der Zeit um 1800, Beethovens Hoch-Zeit, geht uns heute so ins Ohr, als wäre sie für uns geschrieben. Offenbar inspiriert von dieser Idee, erklingen am ersten Konzertabend des Classix-Festivals im Kemptener Stadttheater vor allem Opern-Arien dieser geradezu Opern-süchtigen Epoche – aus dem Strahle-Mund der 32-jährigen israelischen Sopranistin Shira Patchornik.
Auch Beethovens geniales, halbstündiges zweites Klavierkonzert hört man, in erlesenster Ausführung. Doch auf der Bühne steht kein großer Flügel. Die belgisch-stämmige Pianistin Els Biesemans hat ihr eigenes Hammerklavier mitgebracht, in zierlicher Flügelform – ein perfekter Nachbau nach einem Wiener Exemplar Anton Walters aus dem Jahr 1800. „Der Klang erinnert an ein Hackbrett“, erklärt Biesemans beim Einführungsgespräch mit Festivaldramaturgin Katja Tschirwitz, „wegen der lederbezogenen Hämmerchen und ihrem kurzen Weg zu den Saiten.“ Es ist wirklich so: Kein moderner Konzertflügel kann einen Beethovenschen Adagio-Satz so filigran und sacht wie aus dem Himmel niederregnen lassen, hier dazu noch hauchzart umweht von den Streichern der international besetzten Chamber Artists („Chaarts“). Und erst die fulminant-rasanten Allegro-Ecksätze, wo Beethoven die klanglichen Möglichkeiten des damals neuartigen Hammerklaviers köstlich auslotet! Gerade, wenn im intimen Mini-Orchester Fagott, Flöte, Horn, Klarinette und Oboe dabei sind.
Mit Bravour singt Shira Patchornik eine Arie des Komponisten Niccolò Piccini
„Auch zu Beethovens Zeit war die Orchesterbesetzung meist überschaubar“, sagt Festivalleiter und Cellist Andreas Fleck. „Und sein Klavierkonzert haben wir bewusst als Gegenstück zu den Opernarien gewählt – zu einer Zeit, als etwa ein Niccolò Piccini wesentlich bedeutender war als Mozart.“ Von diesem – heute wenig bekannten – italienischen Opern-Star Piccini (1740 - 1816) singt denn auch Shira Patchornik mit zorniger Bravour die Arie der Marchesa, mit dem sprechenden Titel „Furie di donna irrata“. Und von Antonio Salieri, dem berüchtigten Rivalen Mozarts, zelebriert sie, reich an Gestik und Mimik, Rondo und Rezitativ der Contessa, aus dessen Oper „La scuola de’ gelosi“, der Schule der Eifersüchtigen.
Zugabe bietet Vorgeschmack auf das Festivalfinale mit Filmmusik
Aber auch Mozarts Tribut an die herrschende Mode der italienischen Oper kommt im brillanten Koloratur-Sopran Patchorniks zur Geltung: bei einem Rondo aus „Le nozze di Figaro“. Und bei der Zugaben-Arie von einem Leonardo Vinci (1790 - 1830) läuft die lyrische Sopranistin nochmals Temperament sprühend zu Hochform auf – bevor eine letzte Zugabe schon den Vorgeschmack auf das letzte Festival-Konzert am kommenden Sonntag spendiert: Tango-Filmmusik mit „Amigo mio, love me forever!“
Classix Kempten: Kammermusik zum Thema „Dolce Vita“
Das Kammermusikfestival Classix Kempten 2025 läuft noch bis 28. September im Stadttheater Kempten. Das Motto lautet „Dolce Vita“ (Einführungen jeweils 45 Minuten vorher). Das restliche Programm:
Suite Italienne Jonian Kadesha (Geige), Azul Lima (Laute), Sebastian Wienand (Cembalo), Luca Staffelbach (Perkussion) und Chaarts-Ensemble (24. September, 19 Uhr).
Piacere Lucas Debargue (Klavier) und Chaarts (25. September, 19 Uhr).
Casanova – Im Dogenpalast Wolfram Berger (Erzähler), Maurice Steger (Blockflöte), Sebastian Wienand (Cembalo) und Chaarts.Ensemble (26. September, 19 Uhr).
Souvenir de Florence – Musica romantica Chaarts-Ensemble (27. September, 19 Uhr).
Diva – Filmmusik Ethel Merhaut (Gesang), Belush Korény (Klavier) und Chaarts (28. September, 17 Uhr).
Tickets und Infos gibt es online unter www.classix-kempten.de
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