„Ist Luisa da?“ und „Wo geht‘s nach Panama?“ – Wer sich auf der Allgäuer Festwoche unwohl, unsicher, bedrängt oder bedroht fühlt, kann sich mit diesen Fragen, an das Sicherheitspersonal, die Wirte oder den Besucher-Service wenden. Diese Fragen fungieren als Codes und haben sich bereits auf anderen Veranstaltungen etabliert. Auf diese Stichworte hin, weiß das Personal, dass das Awareness-Team eingeschaltet werden sollte, um zu helfen. Awareness aus dem Englischen meint dabei das Bewusstsein für grenzüberschreitendes Verhalten.
Martina Grieser leitet in diesem Jahr das Awareness-Team auf der Festwoche. Hauptamtlich ist sie Leiterin des Kriseninterventionsteam Kempten der Johanniter-Unfall-Hilfe. Auf der Festwoche ist sie vor allem in den Abendstunden im Einsatz. Dabei gehe es nicht ausschließlich um sexuelle Übergriffe, sagt Grieser: „Wir kümmern uns um alle, die in dem Moment Schutz brauchen. Wir sind erste Hilfe für die Seele.“
Über QR-Codes und WhatsApp-Nachrichten ist das Awareness-Team erreichbar
Vielleicht hat sich eine Person mit dem Partner oder der Partnerin gestritten und er oder sie lässt die betroffene Person nicht in Ruhe. Vielleicht wurde einer Frau von jemandem Fremdes unter den Rock gefasst, zählt Grieser Beispiele für Situationen auf, in denen ihre Hilfe gebraucht werden könnte. Beim Awareness-Team im Sicherheitszentrum haben Besucherinnen und Besucher der Festwoche die Möglichkeit, in einem geschützten Raum durchzuatmen und zu überlegen, wie sie weitermachen wollen, erklärt die 45-Jährige.
Je nach Situation empfehlen die Awareness-Helfenden den Betroffenen auch, die Polizei einzuschalten, sagt Grieser: „Aber letztlich entscheidet das jeder für sich.“ Es gehe vor allem darum, den Betroffenen eine Schulter zum Anlehnen zu bieten: „Einige wollen gar nicht reden. Manche gehen nach einer Viertelstunde wieder, andere sind viel länger da. Und alles ist für uns in Ordnung.“
Das Awareness-Team ist außerdem telefonisch (0179/9856190) oder per WhatsApp-Nachricht erreichbar. Besucherinnen und Besucher können dafür die QR-Codes scannen, die an den Zelteingängen, auf den Toiletten und an den Kassen hängen. Runden über das Festgelände, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, drehen Grieser und ihre Kollegen hingegen nicht.
„Es wäre blauäugig zu glauben, dass es keine Übergriffe gibt, nur weil sich bislang niemand gemeldet hat.“
Um das Thema Awareness auf der Allgäuer Festwoche habe sich bereits in den vergangenen zwei Jahren der Besucher-Service gekümmert, sagt Festwochen-Chefin Michaela Waldmann: „Jetzt haben wir noch zusätzlich nachgeschärft, weil das Thema bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung erwartet wird.“ Deshalb sei in diesem Jahr das Team der Johanniter im Einsatz.
„Wenn jemandem nachgestellt wird, obwohl er oder sie nein gesagt hat – das ist, wofür das Awareness-Team nach unserem Verständnis zuständig ist“, erklärt Waldmann. Für andere Anliegen, wie beispielsweise rassistische oder diskriminierende Beleidigungen, sei hingegen die Polizei verantwortlich, die sich ebenfalls ständig auf dem Gelände der Festwoche aufhalte.
Damit Besucherinnen und Besucher nicht gleich als Hilfesuchende erkannt werden, wenn das Awareness-Team sie begleitet, tragen Grieser und Kollegen Straßenkleidung, erklärt Robert Gast, Regionalleiter Süd der Johanniter: „Das geht natürlich auf Kosten der Sichtbarkeit, dass wir in diesem Jahr ein ausgewiesenes Awareness-Team haben.“ Doch er halte es für wichtiger, dass Besucher, die Unterstützung brauchen, nicht von Warnwesten oder anderer auffälliger Kleidung der Helfenden abgeschreckt werden.
Während des Eröffnungswochenendes und den ersten Tagen der Festwoche habe sich bei Grieser und ihren Kolleginnen und Kollegen bislang keine Person gemeldet, die Hilfe brauchte. Trotzdem sei es wichtig, dass es das Awareness-Team auf der Festwoche gebe, meint Grieser: „Es wäre blauäugig zu glauben, dass es keine Übergriffe gibt, nur weil sich bislang niemand gemeldet hat.“
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