Die Verbindung unter den Schülern und der Bezug zu einer Lehrkraft als Klassenleitung machten den Alltag an Kemptener Mittelschulen aus, sagt Schulrat Tobias Schiele. Bislang mussten Jugendliche meist an die Wittelsbacher Schule wechseln, um über den M-Zweig zum Mittleren Abschluss zu gelangen. Das ändert sich nun. Ab kommendem Schuljahr bieten alle vier Mittelschulen sogenannte M-Kurse an – ein angepasstes Niveau in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch. Schiele: „Schüler können im gewohnten Umfeld ihr Potenzial kennenlernen und ausschöpfen.“
Durch neue M-Kurse bleiben Jugendliche länger im Klassenverbund
Ein weiterer Vorteil, sind sich Schulleiterinnen und Schulleiter einig: Wer zum Beispiel in Deutsch und Englisch eher schlecht abschneidet, aber in Mathe ein Überflieger ist, kann mit dem neuen System gezielter gefördert werden. Diese Konstellation käme häufiger bei geflüchteten Kindern vor, sagt Nicole Koller, Konrektorin der Mittelschule an der Hofmühle: „Durch die Kurse entsteht hoffentlich erst gar keine Frustration.“
Im September starten die M-Kurse ab der siebten Klasse, im darauffolgenden Jahr zusätzlich ab der achten. Langfristig gebe es laut Schulrat Schiele allerdings noch Hürden. Denn in den neunten und zehnten Klassen sei dann wieder eine Zusammenlegung und damit ein Schulwechsel nötig. Schiele: „Aber ein Wechsel ist besser mit 15 Jahren als mit elf. Dann sind die Jugendlichen schon gefestigter.“ Außerdem würden Jugendliche wie Lehrkräfte von der länger bestehenden Heterogenität profitieren. Koller sagt: „Ein Schüler lässt sich lieber etwas von einem besseren Klassenkameraden erklären, als immer nur von der Lehrerin.“
Kemptener Mittelschulen stellen sich mit Imagefilm neu auf
Für das neue Konzept wollen die Wittelsbacherschule, die Mittelschule an der Hofmühle, die Mittelschule auf dem Lindenberg und die Robert-Schuman-Schule mit einem Film unter der Leitlinie „Wir 4“ werben. Noch immer gebe es Vorurteile gegenüber der Schulform, sagt Verena Häußler, kommissarische Leiterin der Mittelschule auf dem Lindenberg: „Wir sind keine Resteschulen.“ Vor allem Eltern würden es oft als Versagen empfinden, wenn deren Kinder auf eine Mittelschule gehen. Häußlers Stellvertreter David Geiger sagt: „Diese Einstellung ist tief im Bewusstsein der Gesellschaft verankert.“ Solche Klischees will der Mittelschulverbund ausräumen.
Schulchor oder Kletter-Ausflug gehören zum Ganztagsangebot an Kemptener Mittelschulen
Ganztagsbetreuung mit gemeinsamem Kochen, ein Ausflug in die Kletterhalle, Schulchor, Sanitäterausbildung oder Engagement in der Theatergruppe: Der elfminütige Film soll auch die Vielfalt der Mittelschulen zeigen. Die Stadt Kempten unterstützte das Projekt finanziell, Marcus „Luigi“ Zahnleiter übernahm die Umsetzung. Auch Erfolgsbeispiele holte er dafür vor seine Kamera. Zum Beispiel Elif Gülbahar, die nach dem qualifizierten Abschluss, dem sogenannten Quali, an der Wittelsbacher Schule nun auf dem Weg zum Allgemeinen Abitur ist, oder Alan Becirovic, der seit September eine Ausbildung zum Industriemechaniker macht. „Das ist nicht einfach nur der Quali, sondern der Schlüssel für ganz viele Schlösser“, sagt Frank Niedermeier, Rektor der Wittelsbacher Schule.
Für Kinder und Jugendliche bedeutet die Umstrukturierung zum neuen Schuljahr konkret: Wer einen M-Kurs belegt, bekommt bei Proben zu dem Teil, den die ganze Klasse bearbeitet, einige Zusatzaufgaben. Voraussetzung für die Prüfungen auf höherem Niveau ist ein Durchschnitt von 2,66 im jeweiligen Fach. Passt das Level doch nicht, könne das wieder rückgängig gemacht werden. Auch werde das Konzept regelmäßig an aktuelle Herausforderungen angepasst, etwa an die steigende Zahl geflüchteter Kinder.