Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Wie sieht das in Marktoberdorf aus?
„In zehn Jahren verliert unsere Kirchengemeinde ungefähr zehn Prozent ihrer Mitglieder“, sagt Pfarrer Klaus Dinkel-Gassert. Da gehe es Marktoberdorf nicht anders, wie vielen anderen Kirchengemeinden auch. Die Gründe sind bekannt. Zum einen ist es die Demografie. Zum anderen ist es die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft. „Die Menschen wollen sich nicht mehr an feste Strukturen binden und dafür raus in eine vermeintliche Freiheit“, sagt Dinkel-Gassert. Zwar spiele Gott im Leben vieler durchaus noch eine Rolle, aber die Kirche und die Gemeinde nicht. „Das ist eine Entwicklung, die uns natürlich nicht gefällt.“ Gleichwohl kann der Pfarrer die Beweggründe für manchen Austritt durchaus nachvollziehen. „Wir machen als Kirche eben ein Angebot, das nicht jeder zu jeder Zeit seines Lebens braucht.“
Wie groß ist die evangelische Gemeinde?
Waren es im Jahr 1940 lediglich rund 40 Protestanten, die im Markt Oberdorf lebten, stieg die Zahl nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit den zugezogenen Kriegsflüchtligen schnell deutlich an. Bereits 1954 lebten 650 Menschen evangelischen Glaubens in der Stadt Marktoberdorf. Die Gemeinde wuchs auf bis zu 2.500 Mitglieder. Derzeit beträgt ihre Zahl laut Dinkel-Gassert rund 2.200. Etwa zwei Drittel leben in der Kernstadt, ein Drittel in den Dörfern.

Was tut die evangelische Gemeinde, um den Schwund zu stoppen?
„Wachsen gegen den Trend - das ist nicht zu stemmen“, sagt Dinkel-Gassert. Gleichwohl sei er für seine Gemeinde zuversichtlich. Es sei extrem wichtig, gute Arbeit zu machen - nach innen wie nach außen. Es gehe darum, sichtbar zu sein. Denn: „Wenn Du nicht wirbst, wirst Du nicht wahrgenommen.“ Und so geht es Pfarrer Dinkel-Gassert und seiner Kollegin Pfarrerin Stefanie Mangold zunächst darum, Kontakte aufzubauen oder zu halten. Über Gespräche, Gottesdienste, Telefonate oder Konfirmationskurse. Dinkel-Gassert schätzt, dass es zu ewa 600 Gemeindemitgliedern einen regelmäßigen Kontakt gibt. Darüber hinaus bekommen alle Mitglieder Newsletter oder Info-Briefe mit Aktuellem über das Gemeindeleben. Auch soziale Medien wie etwa Facebook nutzt die Kirchengemeinde. Kaum eine Rolle spielt Instagram: „Das ist eine Plattform, wo sich einzelne Menschen zur Nachricht oder Botschaft machen. Das ist nicht unser Ding“, sagt Dinkel-Gassert.
So definiert sich die Johannesgemeinde in Marktoberdorf
Was kann Kirche heute leisten, was ist ihre Stärke?
„Wir sind eine warmherzige Gemeinschaft“, sagt Dinkel-Gassert. Die definiere sich durch die drei Worte: gemeinsam - glauben - leben. Es gehe nicht um einen „religösen Elfenbeinturm“, sondern vielmehr darum, wie Kirche und Glaube helfen können, das Leben positiv zu gestalten. „Bei dieser Frage landet man schnell beim Thema Werte“, sagt Dinkel-Gassert. Für den Pfarrer ein essenzieller Punkt. „Kirche sollte immer an Wertediskussionen teilhaben“ und Stellung beziehen.

Erreicht die Kirche noch junge Menschen?
Laut Dinkel Gassert steckt die Kirchengemeinde viel Engagement in die Familienarbeit. Zielgruppe sind beispielsweise junge Eltern. Der Pfarrer hat hier viele positive Erfahrungen gemacht: Menschen, die Verantwortung übernehmen für ein Kind, seien sehr offen für Wertefragen. „Und Kirche ist dann für diese Menschen erfreulich relevant.“ Ebenfalls positiv blickt Dinkel-Gasser auf die Konfirmanden-Kurse (die Telnehmer sind etwa 14 Jahre alt). Von den Jugendlichen engagieren sich regelmäßig einige selbst in in der Kirchengemeinde.
So hat sich die evangelische Gemeinde in Marktoberdorf entwickelt

Die bedeutendsten Ereignisse für die Johanneskirche in den vergangenen zehn Jahren?
Klaus Dinkel-Gassert ist seit 2012 Pfarrer in der Johanneskirche. Blickt er auf diese Zeit zurück, war zweilfellos ein Meilenstein für die Kirchengemeinde der Neubau des Gemeindezentrums. Das im Herbst 2021 eingeweihte Gebäude sichere die nächsten 30 Jahre Kirchenarbeit. Persönlich emotional bewegt hat den Pfarrer der evangelische Gottesdienst für alle Konfessionen in der katholischen Magnuskirche in Marktoberdorf. Der Gottesdienst fand 2017 zur 500-Jahr-Feier der Remormation statt. Zudem freut sich Dinkel-Gassert jedes Jahr auf den Pfingstmontag und den Gottesdienst zu Musica Sacra oder den Kammerchorwettbewerb.

Wie feiert die Kirchengemeinde ihren 70. Geburtstag?
Die evangelische Johanneskirche feiert ihren 70. Geburtstag am Sonntag, 6. Juli, mit einem großen Gemeindefest im Gemeindezentrum (Bahnhofstraße 25). Das Fest beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst. Ab 11.30 Uhr folgen Tänze von JoKiTa. Um 12 Uhr Mittagessen mit musikalischer Umrahmung. Später dann Kaffee und Kuchen, zudem gibt es Kinderschminken, Spiele, Tombola, Basteln. Ausklingen tut der der Tag gegen 16 Uhr mit einer „Bierbank-Andacht“.


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