Beim Kochen sind alle per Du. Da ist Franz. Er ist der einzige Mann in der Gruppe und lacht gerne. Da ist Bärbel, die einen Berg Karotten so schnell klein schält wie keine andere. Und da ist Elisabeth, die gut gelaunt mit ihrer Sitznachbarin plaudert, während sie ein Schweinefilet füllt. Die Gruppe, die jeweils am letzten Mittwoch im Monat in Obergünzburg zusammenkommt, ist bunt gemischt. Im Herzen der Ostallgäuer Marktgemeinde findet ein besonderes Projekt statt - „Gesundes Mittagessen von Senioren gekocht“, lautet dessen offizieller Titel. Vor Kurzem wurde es mit dem Bayerischen Demenzpreis ausgezeichnet. Menschen mit Demenz sind bei dem Projekt zwar mit dabei. Doch die Krankheit spiele keine Rolle, wie Gudrun Rauch von der Kontaktstelle Demenz und Pflege sagt: „Für uns sind hier alle gleich.“
Riesen Überraschung: Obergünzburger bekommen Demenzpreis
Alle: Das sind zehn Seniorinnen und Senioren mit und ohne Demenz, die sich regelmäßig zum Kochen und Essen treffen. Anfang November zeichnete Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die Demenzhilfe Obergünzburg für ihr „innovatives Projekt für Menschen mit Demenz“ mit dem ersten Platz aus. Eine riesige Überraschung für die Organisatorinnen. „Zumal so viele andere gute Sachen dabei waren“, sagt Rauch. Sie ist bei der Gemeinde angestellt und leitet die Kochgruppe mit den drei Ehrenamtlichen Anne Schwarz-Gewallig, Doris Hörmann und Monika Kirchmann.
Zurück in der Küche tragen die vier Frauen Schürzen, verteilen die Utensilien und Aufgaben. Schnittlauch muss klein geschnitten werden. Und es braucht jemanden zum Muskatnussreiben. Es ist an diesem Vormittag kein gewöhnliches Kochtreffen. Die Gruppe ist zum letzten Mal für dieses Jahr zusammengekommen. Das Menü soll deshalb etwas Besonderes sein.
Rauch präsentiert die drei Gänge: eine Gemüsesuppe mit selbst gemachten Pilzknödeln und Eierstich in Sternform, ein gefülltes Schweinefilet mit Salbeisauce und Kartoffelterrine und ein Bratapfel-Schichtdessert. „Normalerweise arbeiten wir in Zweierteams und wechseln uns immer ab. Doch heute kochen wir etwas aufwendiger. Deswegen sind wir alle vier da“, erklärt Rauch.
Einmal kochen, mehrmals essen
Dement wirkt an diesem Vormittag auf den ersten Blick niemand. „Wir haben Personen mit einer leichten und eine Person mit einer schweren Erkrankung mit dabei“, sagt Rauch. Eine Seniorin habe erst vorhin erzählt, dass ihr Mann ihr die Klamotten herausgesucht hat. Dabei ist er schon vor vielen Jahren gestorben.
Die Erkrankung sei für niemanden ein Problem. Im Gegenteil. Alle freuen sich über die Gemeinschaft und das gute Essen. „Zuhause koche ich so was nie. Das rentiert sich nicht für mich allein“, sagt eine Seniorin. Die anderen nicken. Die Reste dürfen die Senioren mit nach Hause nehmen. „Einmal kochen, mehrmals essen“, lautet die Devise. Was ihnen dieses Jahr besonders gut gefallen hat? „Das Kartoffelgulasch“, sagt Franz. „Das war ein Traum.“
So kam die Kochgruppe in Obergünzburg zusammen
Rauch, gelernte Hauswirtschaftsmeisterin, ist bei der Gemeinde Ansprechpartnerin für vielerlei Anliegen von Senioren. Die Demenzhilfe Obergünzburg ist im landkreisweiten Netzwerk Pflege Ostallgäu ein Partner der ersten Stunde. Seit 2015 ist sie zudem eine Kontaktstelle Demenz und Pflege. 2023 kamen Rauch und ihre Kolleginnen auf die Idee, die Kochgruppe zu gründen. Die Marktgemeinde erklärte sich sofort bereit, die Kosten zu tragen.
Bürgermeister Lars Leveringhaus, der zur Feier des Tages zum Essen gekommen ist, spricht von einem Projekt mit Vorzeigecharakter. Eigentlich könnte jede Gemeinde so etwas auf die Beine stellen, sagt er. „Es braucht jedoch Menschen, die so ein Projekt umsetzen. Und es braucht einen Ort, an dem sich die Senioren treffen können.“ Mit dem Verkündhaus, das der katholischen Kirche gehört, hat die Gruppe einen Ort gefunden, wo sie mietfrei kochen kann. Zum Glück, wie die Organisatorinnen sagen. Denn ohne Unterstützung wäre die Kochgruppe wohl nur schwer umzusetzen. Mit Kochen und Essen ist es nämlich nicht getan.
Die Arbeit fängt beim Suchen der Rezepte an. „Wir achten darauf, dass es genug zum Schnippeln gibt“, sagt Schwarz-Gewallig. Zudem müssen die Zutaten auf die Ernährung von Senioren abgestimmt sein. Für die Gerichte werden ausschließlich Bioprodukte verwendet. Die Organisatorinnen telefonieren im Vorfeld die Seniorenheime ab und bestellen dort das Mittagessen für die Teilnehmer ab. Sie organisieren auch den Transport - im Auto der Gemeinde. Alles läuft Hand in Hand.
Rauch: „Viele erzählen uns von ihren Sorgen“
Auch die Vorbereitungen der Organisatorinnen: Die Rinderbrühe für die Suppe wurde zu Hause vorgekocht. Auch die Kartoffelterrine ist bereits gebacken. „Mein Mann hat mir beim Schälen der drei Kilo Kartoffeln geholfen“, sagt Rauch und lacht. Gelacht wird auch mit den Senioren viel. „Wir haben immer eine riesen Gaudi“, sagt Rauch. Die Senioren witzeln, dass sie den Gasthof Hirsch im Ort übernehmen wollen, der vor Kurzem dauerhaft geschlossen hat. Es werden aber auch schwere Themen miteinander geteilt. Rauch: „Viele erzählen uns von ihren Sorgen.“
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