Der Arbeitskreis Heimatkunde (AKH) hat zu „Allerheiligen“ nach der offiziellen Gräbersegnung zu einem Erzähl-Spaziergang im Gottesacker auf dem Nikolausberg Obergünzburg eingeladen.
Die Friedhofsbesucher lauschten den Erinnerungen von Hermann Knauer, der an verschiedenen Grabstellen von den Verstorbenen erzählte, die zu Lebzeiten in Obergünzburg mit öffentlichen Aufgaben bedacht und insbesondere die Ortsgeschichte des Marktes mitgestaltet und mitgeschrieben haben.
Obergünzburger Arbeitskreis Heimatkunde veranstaltet Erzähl-Spaziergang über den Friedhof
Natürlich gehörten die Grabstellen der Ordensschwestern vom Franziskanerinnenkloster und der Barmherzigen Schwestern vom Orden „Vinzenz von Paul“ dazu, aber auch das Priestergrab, in dem neben den Geistlichen auch an Franz Xaver Gutbrod und ein besonderes Kreuz an Johannes Kaspar erinnern.
Tief bewegtes Klagen lösten in der Zuhörergruppe die erwähnten Namen und noch mehr die auf den Bronzetafeln genannten jungen Jahre der gefallenen Soldaten im Rundturm neben der Aussegnungshalle aus. Auch das Trauer-Fresko von Joseph Hengge im Rundturm des Vertriebenen-Denkmals an der Ostseite des Gottesackers beeindruckte tief.
Maria Laminet aus Obergünzburg kümmerte sich um Vertriebene und Flüchtlinge
Bei den Erzählungen über die kriegsbedingten Verluste der Ostgebiete und das Leid der Vertriebenen und Flüchtlinge wegen der verlorenen Heimat, wusste Knauer aber auch über manche Begebenheiten zu berichten, an die er sich insbesondere als junger Bursche, als Ministrant, aber vor allem als kleiner Sänger bei der Pfarrsingschule Josef Schmid erinnerte. So habe der Schuhmachermeister und dessen Frau Maria Laminet, geborene Bergmann, in den Nachkriegsjahren vielen Vertriebenen und Flüchtlingen geholfen.
Er erzählte, wie Maria Laminet in den Nachkriegsjahren in der Pfarrkirche St. Martin und im Verkündhaus oder bei Begegnungsfeiern der Vertriebenen neben dem Zither- oder Gitarrenspiel auch Gedichte vortrug. Sie war auch eine versierte Theaterspielerin, sang im Frauen- und Kirchenchor, wirkte über Jahrzehnte bei Bierabenden und bei öffentlichen Veranstaltungen, im Frauenbund und im Kolping-Gesellenverein mit. Ihre Fröhlichkeit, ihr goldener Humor und ihre ausgeprägte Hilfsbereitschaft in vielen Bereichen des Alltags waren sprichwörtlich.
Obergünzburg nach dem Zweiten Weltkrieg: Laminets Rolle in den Notjahren
Sie war bekannt dafür, dass sie in den Notjahren nach dem 2. Weltkrieg für kinderreiche Familien, für Flüchtlinge und Vertriebene immer ein offenes Ohr und eine gebende Hand hatte.
Wie in einem Jubiläumsbericht anlässlich ihres 70. Geburtstages im Obergünzburger Tagblatt vom 23. September 1964 zu lesen ist, lautete der Wahlspruch der tiefgläubigen Maria Laminet „Gott die Ehre, dem Nächsten die Freude und mir die Mühe.“
Kultur in Obergünzburg: Maria Laminet war bedeutende Sozial- und Kulturschaffende
Die Marktgemeinde, die Pfarrei, der Kirchenchor, das Blasorchester und viele Bürgerinnen und Bürger, so auch die Vertriebenen, gratulierten ihr seinerzeit zum 70. Geburtstag auf dem Schulhof zwischen der sogenannten Bubenschule und dem Schuhgeschäft Laminet an der Poststraße.
Maria Laminet, 1894, also vor 130 Jahren in Obergünzburg geboren, gehörte im Reigen der Sozial- und Kulturschaffenden zu den bedeutenden Frauen-Persönlichkeiten des vorigen Jahrhunderts in Obergünzburg. Mit 79 Jahren verstarb sie am 11. Dezember 1973.
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