Oben in den alten Bäumen pfeifen Buchfink und Zilpzalp. Unten im Gras grasen Krainer Steinschafe. Der Windprechtpark im Augsburger Antonsviertel wirkt idyllisch und friedlich. Umso mehr, seit nun eine kleine Schafherde auf einer eingezäunten Weide im Park unterwegs ist. Das heutige Naturidyll mitten in der Stadt hat jedoch eine schwierige Vorgeschichte, es gab viele Diskussionen im Stadtrat und großen Ärger bei Anwohnerinnen und Anwohnern.
"Es war ein langer Weg, aber jetzt geht es los", sagte Vinzenz Eichinger vom Bayerischen Naturschutzfonds am Dienstag. Im Park beim Servatiusstift startet ein neues Beweidungsprojekt des städtischen Landschaftspflegeverbandes (LPV) zusammen mit Partnern. Sechs Schafe einer gefährdeten alten Haustierrasse sollen in den kommenden Monaten bis Oktober das hohe Unkraut unter den Bäumen wegfressen, damit sich eine Krautschicht bilden kann und der historische Landschaftspark wieder seinen früheren Charakter zurückerhält. Die natürliche Beweidung, bei der mehrere Partner zusammenarbeiten, gilt als Kompromiss. Er soll die Zukunft des 1,7 Hektar großen historischen Landschaftsparks aus den 1880er-Jahren mitten in der heute dicht bebauten Stadt sichern.
Im 2015 geschlossenen Windprechtpark gibt es nun Schafe in Augsburg
Das Problem: Der Park beherbergt sehr alte Bäume, die lange nicht mehr gepflegt wurden und viele abgestorbene Äste haben. Dieses Totholz ist ein wertvoller Lebensraum für zahlreiche Tierarten wie Vögel, Fledermäuse, Igel oder Insekten. "Dort brüten allein 55 Vogelarten", sagt LPV-Geschäftsführer Nicolas Liebig, für den Artenschutz habe das Areal eine außerordentlich hohe Bedeutung. Weil die morschen Äste aber unvermittelt herabstürzen können, sind sie eine Gefahr für Spaziergänger und Erholungssuchende. Deshalb wurde der Park 2015 für Besucher geschlossen. Um ihn wieder zu öffnen, hätten aus Sicherheitsgründen die größten und ältesten Bäume gefällt werden müssen.
Um die Grünanlage hatte es ein langes politisches Tauziehen gegeben. Das Grundstück ist eine Naturschutzfläche im Eigentum des Freistaates. Es wird vom Bayerischen Naturschutzfonds verwaltet und vom LPV Augsburg gepflegt. Ziel ist einerseits, den Windprechtpark als Biotop zu erhalten. Menschen haben keinen Zutritt, damit sich die Natur in Ruhe entwickeln kann. Andererseits wurde nun ein kleiner Teil des Parks im Norden geöffnet. Besucher können über den Weidezaun hinweg den sechs Schafen zuschauen, die dem Tierschutzverein Augsburg gehören.
Beweidungsprojekt in Augsburg: Kinder sollen am Windprechtpark Natur erleben
Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne) erinnerte daran, dass Anwohner den Anstoß für das Projekt gegeben hätten, nun gehe es in die Umsetzung. Wild wünscht sich, dass Kindergartenkinder und Schüler aus dem Viertel dort vielfältige Naturerlebnisse sammeln. Stadtrat Christian Pettinger (ÖDP) verwies per Pressemitteilung darauf, dass er die Wiedereröffnung bereits in der letzten Stadtratsperiode im Februar 2019 per Antrag gefordert habe. Bürger hätten damals darauf aufmerksam gemacht, dass der Park mit seinen uralten Bäumen seit Jahren nicht mehr für die Bevölkerung zugänglich sei und die ehemals gepflegte Grünanlage mehr und mehr ungenutzt zuwuchere. Insofern sei die neue Lösung nach über vier Jahren erfreulich.
Bewohner im Antonsviertel haben nicht viele Möglichkeiten zur Naherholung im Grünen. Die einzige fußläufig erreichbare öffentliche Grünfläche im Viertel ist der Wittelsbacher Park im Nordwesten. Im südlichen Bereich und im Stadtteil Hochfeld würde sich der Windprechtpark anbieten – wenn er zugänglich wäre. Vinzenz Eichinger vom Naturschutzfonds sprach am Dienstag von einem "schönen Kompromiss" mit einer Teilöffnung, ohne wertvolle Bestände im Biotop zu zerstören. Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) sagte, Flächen wie der Windprechtpark seien wichtige Trittsteine für den Naturschutz in der Stadt. Die städtische Landschaftspflege könne dabei ihre Kompetenz einbringen. Der Verband unterhält mehrere Beweidungsprojekte in Augsburg, etwa mit Wildpferden im Stadtwald. Künftig soll es verschiedene Angebote geben, Weidetiere und Wildtiere im Windprechtpark zu beobachten. Er soll ein Lernort des neuen Umweltbildungszentrums werden. Geplant sind Veranstaltungen im Ferienprogramm und Aktionstage mit umliegenden Schulen und Kindergärten. Auch Infotafeln vor Ort sollen noch kommen.