In drei Wochen wählen die Deutschen einen neuen Bundestag – und die Entscheidung fällt vielen schwerer denn je. In Memmingen zeigen sich Verunsicherung, Angst und Sorgen. Im Rahmen der Aktion „MZ vor Ort“ hat die Redaktion mit Bürgerinnen und Bürgern gesprochen und festgestellt, wie sehr die Wahl die Menschen beschäftigt. Neben Kritik an der Noch-Bundesregierung gibt es konkrete Wünsche sowie Forderungen an die neuen politischen Vertreterinnen und Vertreter Deutschlands.
„Der Staatsapparat lenkt von seinem eigenen Versagen ab.“
Thomas Mayer
„Die Stimmung ist so schlecht wie noch nie“, sagt Thomas Mayer aus Memmingen. Der Vorsitzende des Christlichen Rathausblocks (CRB) ist der Meinung: „Der Staatsapparat lenkt von seinem eigenen Versagen ab.“ Innere Sicherheit und Migration seien Themen, die durchaus auch in Memmingen bewegen. Dabei blickt Mayer beispielsweise auf den Reichshainpark. Immer wieder gibt es Polizeimitteilungen, die Straftaten wie Schlägereien, Körperverletzungen sowie Drogenkonsum in der städtischen Grünanlage zum Thema haben. Derweil sind nach Mayers Wahrnehmung die Regierungsmitglieder mehr mit Schmierentheater beschäftigt als mit der Umsetzung des Wählerwillens: „Ich wähle mit Sicherheit keine Regierungspartei. Ich wünsche mir eine Regierung, die zum Wohle des deutschen Volkes agiert.“
„Ich wünsche mir, dass die AfD die stärkste Partei wird.“
Peter Schlensog
„Man streitet viel über Kleinigkeiten, die unwichtig sind“, kritisiert auch Peter Schlensog aus Erolzheim. Bedeutsame Herausforderungen für die Politik bestünden aus seiner Sicht beispielsweise darin, gegen hohe Mieten und Energiekosten sowie falsche Ideologien anzugehen. „Mir ist wichtig, Krieg zu verhindern“, sagt er und ergänzt: „Ich wünsche mir, dass die AfD die stärkste Partei wird und so andere gezwungen werden, mit ihr zusammenzuarbeiten.“
Memmingerin: Migrationsdebatte drängt wichtige Themen in den Hintergrund
Noch offen und spannend ist die anstehende Bundestagswahl für Inge Oberst aus Memmingen. „Man kann taktisch wählen, oder nach Überzeugung“, gibt sie zu bedenken. Klar sei aber: „Es gehört zur Bürgerpflicht, wählen zu gehen.“ Menschenrechte, Wertschätzung und die Inklusion von Menschen mit Behinderung seien Themen, die aus ihrer Sicht nicht in Vergessenheit geraten dürfen – doch derzeit überschatte die Migrationsdebatte alles andere. Von einer neuen Regierung erhofft sie sich, dass diese Kompromisse findet.
„Ich wünsche mir, dass die Regierung demokratisch bleibt.“
Andreas Linder
Das sieht auch ihr Partner Andreas Linder so. Sein Wunsch: „Dass die Regierung demokratisch bleibt und nicht zu einer Tyrannei wird.“ In der Geschichte sei das schon einmal vorgekommen, sagt der Historiker. „Ich habe jahrelang darüber geforscht und schon früher oft mit meinen Eltern gesprochen, warum man damals so etwas zugelassen hat“, sagt Linder mit Blick auf die Zeit im Nationalsozialismus: „Und jetzt muss ich feststellen, dass wir selbst genau das wieder erleben.“ Das bereite Sorgen, doch er glaubt an den demokratischen Gedanken. „Da freut es mich auch, wenn viele Menschen dazu auf die Straße gehen“, fügt Inge Oberst an.

Wo er am 23. Februar sein Kreuzchen macht, ist für Detlef Ott aus Memmingen klar: „Ich weiß, was ich wähle. Aber nicht, weil ich übermäßig begeistert bin von dieser Partei, sondern weil sie auch in Bayern seit einiger Zeit die einzige ist, die für Stabilität sorgt.“ Sein Urteil über die aktuellen Entscheidungsträger im Bundestag fällt deutlich aus. „Die Ampel halte ich für ein geschichtliches Desaster.“ Ihr Scheitern war für den Memminger angesichts unüberwindbarer inhaltlicher Klüfte von Beginn an vorgezeichnet. Zugleich treibt ihn der Gedanke an die „wahnsinnigen Schwierigkeiten“ um, die seiner Ansicht nach bei der Bildung der neuen Regierung ins Haus stehen: „Möglicherweise bekommen wir eine Minderheitenregierung, wie das in anderen Ländern schon länger der Fall ist.“
Memminger Wähler wünscht sich von neuer Regierung mehr Ehrlichkeit
Wie die neue Regierung im Detail auch aussehen wird – der Memminger wünscht sich, dass ihre Mitglieder ausschließlich auf Inhalte schauen und gemeinsam handeln. Dass dies möglich ist, zeige die Große Koalition von 1966 mit Politikern wie Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt und Herbert Wehner. „Das waren Leute, die sich nicht grün waren, aber das war zweitrangig“, sagt Ott: „Sie haben eine Zweckgemeinschaft gebildet mit dem Auftrag, für Deutschland in schwierigen Zeiten das Beste herauszuholen.“ Nichts weniger sei auch die Aufgabe des kommenden 21. Deutschen Bundestages.
„Die AfD darf man einfach nicht wählen.“
Andrea Schindler
Andrea Schindler schaut mit einem „sehr mulmigen Gefühl“ auf die kommende Bundestagswahl. Für die Memmingerin ist die Migrationspolitik ein Hauptthema: „Da muss wirklich etwas passieren.“ Denn im Fall von Zugewanderten, die Werte und Gesetze nicht respektierten und nachweislich nicht gewillt seien, sich zu integrieren und beispielsweise die Sprache zu lernen, müsse die Politik reagieren. Die etablierten Parteien allerdings hätten dies bislang nicht getan und ob sie es künftig tun, ist aus Schindlers Sicht zweifelhaft. „Wen willst du da wählen? Ich seh‘ schwarz und zwar buchstäblich. Ich kann nichts anderes wählen als die Unionspartei, obwohl ich nicht von ihr überzeugt bin“, sagt sie. Doch den Rest der Parteien erlebt sie als „fern aller Realitäten“. Gleichzeitig ist der Gang zur Urne für sie ein Muss, um ihre Stimme einer anderen Partei als der AfD zu geben. „Die darf man einfach nicht wählen“. Wenn sich allerdings nichts ändere, fügt sie hinzu, „dann werden die Leute irgendwann schwach und sagen: Jetzt ist es mir egal“: ein Szenario, das ihr große Angst macht.
Zahlen und Fakten zur Bundestagswahl
- Termin: Nach dem Bruch der Regierungskoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und der darauffolgenden Auflösung des Bundestags Ende Dezember wird am Sonntag, 23. Februar, bei einer vorgezogenen Neuwahl der 21. Deutsche Bundestag gewählt.
- Wahlberechtigte: In Memmingen dürfen 29.478 Personen ihre Stimme abgeben, im Landkreis Unterallgäu sind es 110.300.
- Wahlkreis: Der Freistaat Bayern ist in 47 Wahlkreise aufgeteilt. Darunter ist der Wahlkreis 255 Memmingen-Unterallgäu, der neu geschaffen wurde.
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