Nach der Eröffnung der Saison in der Ehemaligen Synagoge Fellheim mit einem Streichquartett, trat jetzt die französische Pianistin Nathalia Milstein als einzige Solistin in der Konzertreihe auf. Dr. Veronika Heilmannseder vom Vorstand des Vereins Cultura Kulturveranstaltungen schwärmte in ihrer Begrüßung von der „zauberhaften“ offenen Probe der jungen Klavierkünstlerin.
Die Kinder und Erwachsenen, die ihr am späten Nachmittag beiwohnten, wollten gar nicht mehr gehen, berichtete sie. In gleicher Weise zog die 29-jährige Musikerin auch am Abend die Besucher in der voll besetzten Ehemaligen Synagoge in ihren Bann und beglückte die Zuhörer mit einem einzigartigen Musikerlebnis.
Schon die ersten Noten von Robert Schumanns „Waldszenen“ verraten eine Sensibilität
Das Programm mit Robert Schumann, Franz Liszt und Leoš Janáček war hochkarätig und äußerst anspruchsvoll, die Durchführung atemberaubend. Schon die ersten Noten von Robert Schumanns „Waldszenen“ verrieten eine Sensibilität, die sich ganz den Emotionen und der Atmosphäre der Komposition widmet. Fast flüsternd leise führte Nathalia Milstein den Zuhörer durch den bedeutendsten und beliebtesten aller romantischen Räume, den auch Robert Schumann in seiner Musik nimmt: den Wald.
Kindlich leicht und unbeschwert war der „Eintritt“ in den Naturraum. Bei der Französin spürte man den frischen Atem des Waldes, unangestrengt und rein. Mit großer Intensität und Farbigkeit schritt sie durch die weiteren acht Stücke aus op. 82 und ließ keine Nuance liegen. Zart-verträumt und kraftvoll-dämonisch lagen ihr gleichermaßen. Ausdruck ging bei ihr vor technischer Makellosigkeit.
Die Pianistin Nathalia Milstein bringt dem Publikum Gemüt und Empfindungen der Komponisten nah
Selten brachte jemand Gemüt und Empfinden der Komponisten so nah, wie die in Lyon geborene Pianistin. Durchgehend behielt sie ihre Intensität bei und schöpfte scheinbar spontan und frisch aus der Quelle ihrer Lebendigkeit und Kreativität.
Nichts wirkte einstudiert und hundertfach geprobt. Sie war nie mechanische Nacherzählerin, sondern sie schien jede Note aus dem Moment heraus zu erfinden. Hingebungsvoll versunken, zog sie auch den Zuhörer in die Musik hinein. Dabei diente sie ganz der Musik und vermittelte das Erleben, das in den Noten festgehalten ist. Nathalia Milstein zeigte eine wahrhaft romantische Fähigkeit, die im Moment der Aufführung die Grenzen von Traum und Wirklichkeit auflöst.
Das vermochte sie auch in Liszts „Waldesrauschen“ und „Gnomenreigen“, die einiges an Virtuosität abverlangen. Mutig und souverän ging sie in die Geschwindigkeit, ohne ihr technisches Können auszustellen. Sie konnte sich und die Dynamik zurücknehmen, um im nächsten Moment zuzupacken und in Lautstärke und Bestimmtheit zu gehen. Atemlos und wie in Trance lauschte das Publikum, wie die Pianistin die lyrische, aber auch orchestral aufwallende Musik von Liszt vortrugt.
Das Konzert in der Ehemaligen Synagoge Fellheim wurde auch aufgezeichnet
Für die Jahreszeit waren nur wenige Huster zu vernehmen, was besonders der Aufnahme des Bayrischen Rundfunks zugutekam. Die Aufzeichnung des Konzerts wird am 7. Dezember ab 15 Uhr auf BR Klassik ausgestrahlt. Da kann man dann noch einmal Leoš Janáček biografisch geprägten vierteiligen Zyklus „Im Nebel“ von 1912 nachhören. Auch hier entfaltete Nathalia Milstein, die 2015 beim Internationalen Klavierwettbewerb in Dublin ihren Durchbruch schaffte, die Ausstrahlungskraft jeder Note.
Die zweite Hälfte des Abends war wieder Robert Schumann gewidmet. In seiner Arabeske op. 18 und Fantasie op. 17 erwies sich die junge Pianistin erneut als feinfühlige Erzählerin, die alle seelischen Auf- und Abschwünge der Musik mitteilen kann. Nach langem Applaus und Bravorufen spielte Nathalia Milstein als Zugabe Tschaikowskis „Abendträumerei“ aus seinen Sechst Klavierstücken op. 19.
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