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Österreich unter Schock: Was über den Amoklauf an einer Grazer Schule mittlerweile bekannt ist

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Österreich steht auch an Tag eins nach der Tragödie von Graz noch unter Schock

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    In Graz und in ganz Österreich stand das öffentliche Leben für eine Trauerminute still.
    In Graz und in ganz Österreich stand das öffentliche Leben für eine Trauerminute still. Foto: Darko Bandic, AP/dpa

    Verzweiflung, Trauer, Entsetzen, Wut und vielfach auch Angst – am Tag eins nach dem wohl schlimmsten Schulamoklauf, den Österreich je erlebt hat, steht das Land weiter unter Schock. Am Mittwoch, Punkt zehn Uhr vormittags, gedachte das Land in einer Trauerminute den zehn Opfern des Anschlags von Graz. In Österreich herrscht Staatstrauer, das politische Leben in Wien kam vollständig zum Erliegen.

    Das Leid ist für viele schwer zu fassen, noch ist es unfassbar, unbegreiflich, was da geschehen ist, in jenen wenigen Minuten am Dienstagvormittag. Die Helmut-List-Halle in Graz, normalerweise ein bekannter Veranstaltungsort, fungiert seit Mittwochfrüh als riesiges Kriseninterventionszentrum für alle betroffenen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte des Bundesoberstufenrealgymnasiums Dreierschützengasse, dem Schauplatz der Bluttat. Gemeinsam, ist man sich in Graz sicher, könne man die traumatischen Erlebnisse besser verarbeiten. In ganz Österreich kümmern sich Lehrer und Pädagogen zusammen mit Schulpsychologen um verängstigte und schockierte Schüler, die nicht einordnen können, was passiert ist – die Bluttat von Graz ist in allen Klassenzimmern Thema, Eltern haben Angst, dass die Orte, an denen ihre Kinder lernen, nicht mehr sicher sind. 

    Hunderte Grazer standen Schlange, um Blut zu spenden

    In der Nacht auf Mittwoch standen hunderte Grazer vor einer Zentrale des Roten Kreuzes Schlange, um Blut zu spenden – die Solidarität sei überwältigend, sagten Rotkreuz-Vertreter. Die Betroffenen und ihre Angehörigen werden streng abgeschirmt, das Medieninteresse, auch international, ist enorm – Krankenhäuser, Polizei und Behörden gehen unter in Medienanfragen. Nur langsam werden Details zu den Opfern wie auch zum Täter bekannt. 

    Die elf zum Teil schwer verletzten Überlebenden der Schießerei befanden sich am Mittwochmorgen alle außer Lebensgefahr, viele von ihnen mussten schwierige Operationen überstehen. Für eine Lehrerin, die am Dienstagnachmittag noch intensivmedizinisch versorgt wurde, konnten die Ärzte nichts mehr tun: Die Frau erlag noch am Abend ihren schweren Verletzungen. Die übrigen Toten, auch das wurde am Mittwoch klar, sind Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. 

    Die Ermittler fanden beim Täter eine Rohrbombe und ein Abschiedsschreiben

    Wie umgehen mit dem, was über den Täter bekannt ist? Diese Frage beschäftigt nach der Tragödie von Graz Medien und Öffentlichkeit. Noch am Dienstag fand an der Adresse des Täters, dessen Namen inklusive Foto trotz intensiver Experten-Warnungen vor Nachahmungseffekten in österreichischen Boulevardmedien kursiert, eine Hausdurchsuchung statt. Die Ermittler fanden eine nicht selbstgebaute, aber funktionsuntüchtige Rohrbombe und ein Abschiedsschreiben – in schriftlicher Form und in Form eines Abschiedsvideos. Informationen über das Motiv des Täters, so die Polizei, würden daraus aber nicht hervorgehen. Klar ist bis dato nur: Der 21-Jährige hatte das Gymnasium vor rund zwei Jahren verlassen, zuvor hatte er eine Klasse mehrfach erfolglos wiederholen müssen. 

    Der Amokläufer tötete neun Jugendliche und eine Lehrerin.
    Der Amokläufer tötete neun Jugendliche und eine Lehrerin. Foto: Erwin Scheriau/APA/dpa

    Die renommierte Linzer Psychiaterin und Sachverständige Adelheid Kastner warnte im ORF-Radio am Mittwoch vor Spekulationen über mögliche Mobbingerfahrungen des Täters, die kurz nach der Tat in den Medien kolportiert wurden. Sogenannte „Schoolshootings“, also Schulamokläufe, seien „in der Regel geplante Taten“, die Täter seien meist völlig unauffällig. Zudem würden die Kränkungen eben subjektiv empfunden, es sei „müßig über mögliche Mobbingerfahrungen zu spekulieren, wenn man eben nichts weiß“. Möglich sei umgekehrt auch, dass der Täter der Gruppe psychisch kranker, narzisstisch gestörter Persönlichkeiten zuzurechnen sei. Diese Gruppe würde rund die Hälfte der zumeist männlichen Täter in derartigen Fällen ausmachen. „Es ist die Rache an einer Welt, die den Täter nicht schätzt“, eine Art finale Abrechnung, so die Psychiaterin. 

    Der Täter hatte die Waffen legal besessen

    Fest steht auch: Die Waffen, mit denen der Täter in Graz tötete, hatte dieser legal besessen. Die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr forderte noch am Dienstagabend im ORF-Fernsehen ein generelles Waffenverbot für Privatpersonen. Sie sei überzeugt, dass Waffenbesitzkarten in Österreich zu schnell vergeben würden. Tatsächlich ist das österreichische Recht nur beim öffentlichen Tragen von Waffen streng – Faustfeuerwaffen können, nach einem Überprüfungs-Verfahren, relativ leicht erworben und besessen werden. Besonders leicht sind in Österreich Schrotflinten, wie sie auch der Täter von Graz benutzt hatte, erhältlich – die Grazer Bürgermeisterin ist damit nicht die Einzige, die deshalb eine Verschärfung des Waffenrechts fordert. 

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