Auftakt und Applaus in Bayreuth: Am Sonntagabend haben in der oberfränkischen Stadt die Richard-Wagner-Festspiele begonnen. Nach einem Jahr Zwangspause startete das berühmte Festival mit einer Neuinszenierung der Oper "Der fliegende Holländer" – am Pult stand dabei erstmals in der Festspielgeschichte eine Frau, nämlich Oksana Lyniv aus der Ukraine. Prominentester Premierengast war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die kurz vor Beginn mit ihrem Mann Joachim Sauer vorfuhr. Die scheidende Regierungschefin wurde mit dem ersten Applaus des Abends begrüßt.
Obwohl die Schaulustigen nicht direkt vor das Festspielhaus kommen durften, hatten sich etwa 150 Menschen an den Gehwegen postiert, um einen Blick auf Merkel und Co. zu erhaschen.
Söder erwartet Merkel: corona-konforme Verbeugung statt Händedruck
Im schwarzen, langen Rock und im orange-farbenen Blazer schritt Merkel vor das Königsportal, wo Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sie erwartete. Statt Händedruck begrüßten sich die beiden Politiker corona-konform mit einer Verbeugung. Zugleich erklang vom Balkon oberhalb des Portals die erste Fanfare, die den baldigen Beginn der Aufführung anzeigte. Gutes Timing der Kanzlerin und des CSU-Chefs.
Es ist Merkels Abschiedsbesuch als Kanzlerin in Bayreuth. Ihre Amtszeit endet nach der Bundestagswahl im Herbst. Die Kanzlerin gilt als große Anhängerin von Wagners Werk und war regelmäßig in Oberfranken zu Gast.
Söder kam mit seiner Frau Karin, die ein dunkelblaues Kleid aus Spitzenstoff trug. Allzu außergewöhnlich waren die Roben in diesem Jahr nicht. Digitalministerin Dorothee Bär (CSU) hatte ein schimmerndes silbernes Kleid gewählt, Annett Hofmann, die Frau von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), trug ein langes Kleid in dunklem Pink.
Der rote Teppich, der sonst bei der Eröffnung ausgerollt wird, blieb in diesem Jahr im Depot, auch der Staatsempfang im Anschluss wurde abgesagt. Wegen der Corona-Einschränkungen dürfen in diesem Jahr 911 Menschen pro Vorstellung ins Haus, normalerweise sind es knapp 2000.

Vieles ist eben anders als sonst am Grünen Hügel zu Bayreuth, wo Tradition immer noch großgeschrieben wird. Wer ein Ticket für die Festspiele hat, muss sich zuvor registrieren, denn rein darf nur, wer komplett geimpft, genesen oder getestet ist.
Nach erfolgreicher Registrierung gibt es ein pinkfarbenes Bändchen fürs Handgelenk. Das passt natürlich nicht immer zu den feinen Abendroben. Aber auch eine FFP2-Maske ist ein ungewohntes Accessoire für einen Opernabend. Muss aber derzeit sein.
Wagner-Festspiele in Bayreuth: Ungewohnte Bilder neben dem Festspielhaus
Ungewohnte Bilder bieten sich auch neben dem Festspielhaus: Foodtrucks (Essenswagen) sind aufgebaut, um die Wartezeit zwischen Registrierung und Einlass zu verkürzen. Pastabox statt Hummerbratwurst – es wirkte wie ein kleiner Demokratisierungsschub am Grünen Hügel.
Statt mit Küsschen oder Händedruck begrüßten sich die Wagnerianer mit freundlichem Kopfnicken, einer kurzen Faustberührung - oder eben einer tiefen Verbeugung wie Merkel und Söder.
Die Polizei zeigte viel Präsenz; es sei jedoch bislang alles planmäßig gelaufen, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken kurz vor Beginn der Aufführung.
Am Montag gehen die Festspiele mit der Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" in der Inszenierung von Barrie Kosky weiter. Zum Programm gehört auch Tobias Kratzers "Tannhäuser". Andris Nelsons und Christian Thielemann werden Konzerte im Festspielhaus dirigieren.
Durch den Ausfall im Vorjahr konnte die geplante Neuinszenierung von Richard Wagners vierteiligem "Ring des Nibelungen" nicht realisiert werden. Das Projekt wurde wegen Corona auf 2022 vertagt. Als eine Art Ersatz dafür soll es in diesem Jahr zu jeder der vier "Ring"-Opern ein Projekt geben.
Wagner-Festival setzt auf virtuelle Realität
Am Vortag hatte Festspielchefin Katharina Wagner Details für die Festspiele 2023, also in zwei Jahren, bekannt gegeben. Das Festival setzt auf virtuelle Realität (VR) und plant einen "Parsifal" mit 3D-Elementen. Der US-amerikanische Regisseur Jay Scheib, Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), soll Richard Wagners letzte Oper auf die Bühne bringen. "Im besten Fall wird man nicht immer sagen können, was echt ist und was nur virtuell", sagte Scheib im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
"Wir haben Großes mit ihm vor", sagte Katharina Wagner am Samstag. "Die ganze Welt spricht von Digitalisierung." Auch darum soll es auf dem Grünen Hügel "das erste Mal eine komplette Inszenierung in Augmented Reality geben".