Weil sie kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal in den Urlaub gefahren ist, war Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) unter Druck geraten. Für ihr Verhalten hat sie nun in einer denkwürdigen Rede um Entschuldigung gebeten und ihre Entscheidung mit persönlichen Gründen und hoher Belastung erklärt. Hier Reaktionen und Pressestimmen dazu.
- "Es ist ein gewaltiges Risiko, das Spiegel mit ihrem privaten und durchaus irritierenden Geständnis eingeht, ein gefährliches Manöver. Klar, man kann ihr die totale Offenheit anrechnen, ihren Umgang mit der eigenen Verletzlichkeit. Man kann es aber auch so sehen: Spiegel benutzt die Erzählung vom Schicksal ihrer Familie, auch das ihrer Kinder, um ihre politische Karriere zu retten." - Spiegel
- "Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) entschuldigt sich für ihr Agieren während der Flutkatastrophe im Ahrtal – von einem Rücktritt spricht sie aber nicht. Ihr hilfloser und hochemotionaler Auftritt macht deutlich, dass ihr Verzicht aufs Amt angebracht wäre." - Welt
Am Montag hat Familienministerin Anne Spiegel ihren Rücktritt erklärt.
Pressestimmen zur Entschuldigung von Familienministerin Anne Spiegel: "Erst ich - dann alles andere"
- "Bei Anne Spiegel scheint die Reihenfolge festzustehen: Erst ich – dann alles andere. Für eine Ministerin, ob Land oder Bund, ist das nicht angemessen - auch wenn sie jetzt um Entschuldigung bittet. Gefühlt jeden Tag liefert die Bundesfamilienministerin inzwischen Gründe, ihre Entlassung für richtig zu halten." - Tagesspiegel
- "Kurz nach der Flutkatastrophe an der Ahr ist die Grüne – statt in der Krisenregion mit Toten und Verletzten zu sein – in den Urlaub gefahren und hat ihn nur für eine Stippvisite vor Ort unterbrochen. Das wiegt schwer – und fügt sich ein in die Kritik zu ihrer Krisenkommunikation im vergangenen Sommer. ... Anne Spiegel hat in ihrer Rolle als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz bei der Ahr-Katastrophe versagt. Sie sollte zu ihrer Verantwortung stehen." - taz
- "Die stockend sprechende, um Fassung ringende Ministerin bot am Sonntagabend ein Bild des Jammers. Ohne Redemanuskript, an dem sie hätte Halt finden können, fragte sie am Ende noch hilfesuchend in den Raum, ob sie noch irgendetwas vergessen habe. ... Es gab in Berlin in den vergangenen Jahren manchen auch tränenreichen Rücktritt, solch eine Selbstoffenbarung allerdings noch nicht. Spiegel hat mit diesem missglückten Selbstbehauptungsversuch wohl das Gegenteil von dem erreicht, was sie beabsichtigte. Ob es für sie einen anderen Ausweg als den Rücktritt gibt, wird sich zeigen." - Frankfurter Allgemeine Zeitung
- "In einem emotionalen Statement und mit intimen Einblicken in ihr Familienleben rechtfertigt Familienministerin Spiegel ihren vierwöchigen Urlaub nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021. Die Diskussion um sie dürfte damit nicht beendet sein." - Süddeutsche Zeitung
- "Zurzeit wird häppchenweise immer wieder manches bekannt und dann im Nachhinein bestätigt und entschuldigend erklärt. All das zeigt das Bild einer Ministerin, die überfordert war. Die privaten Gründe machen es nachvollziehbar, doch sie ändern nichts am Problem an sich. Und es zeigt sich ebenso das Bild einer Politikerin, die für Fehler keine Verantwortung übernehmen will. Respekt könnte Spiegel ernten, wenn sie nun doch selbst eine Auszeit nimmt." - Volksfreund (Trier)
Presse zu Anne Spiegel: "Sonntagabendlicher Seelenstriptease gescheiterter Führungsfiguren"
- "Anne Spiegel trug und trägt größte Verantwortung. Nicht nur für ihre Familie. Sondern auch für das Land. Und für die Menschen, deren Liebsten im Ahrtal gestorben sind, die alles verloren haben. Da reicht es nicht, im – vier Wochen langen – Urlaub „erreichbar“ zu sein. Ihre Entschuldigung war gut gemeint. Aber ihrem Amt ist Anne Spiegel nicht gewachsen." - Bild
- "Ein Minister ist ein Minister, weil er ein Profi ist. Das kann sein Chef, der Bundeskanzler, von ihm erwarten. Aber auch die Partei, die ihn trägt. In diesem Fall: die Grünen, denen die Bundesfamilienministerin mit ihrer Unprofessionalität gerade schweren Schaden zufügt. Und das Wahlvolk, das ihr – mittelbar – ins Amt verholfen hat, kann ein rollengerechtes Verhalten gleichfalls erwarten. (...) Und der sonntagabendliche Seelenstriptease gescheiterter Führungsfiguren sollte ein Einzelfall bleiben." - Focus
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