Deutschland macht wieder dicht. Im Kampf gegen das Corona-Virus gelten im November vier Wochen lang massive Einschränkungen - im Sport- und Freizeitbereich, bei privaten Kontakten. Auch die Gastronomie soll dicht machen, vom Straßenverkauf abgesehen. Vor allem die Lokal-Schließungen sorgen für massive Kritik - in der Branche selbst, aber auch in vielen Medien. Überhaupt überwiegen in den Kommentaren und Pressestimmen aktuell die kritischen Stimmen zu den neuen Corona-Regeln. Ein Überblick.
"Eine Buchlesung ist offenbar gefährlicher als eine Fahrt in einem überfüllten Bus. Denn das eine wird ab Montag verboten sein - das andere nicht. Der Besuch in einem Restaurant, mit Hygienekonzept, Abstandhalten, Acrylglasscheibe und Datenerfassung birgt offenbar stärkere Gefahren als der Einkauf im Supermarkt. Glauben Sie nicht? Ich auch nicht. Was uns die Politik gestern vorgesetzt hat, ist ein Ausweis von Hilflosigkeit." NDR
"Der Kneipen-Lockdown wirkt umso befremdlicher, weil der Staat mit Hygienekonzepten bei sich selbst viel nachsichtiger ist. So dürfen Schulen und Kindergärten weiter öffnen – was absolut richtig ist. Nicht richtig ist, dass es in vielen Klassenräumen noch immer an Trennwänden, Raumbelüftern und CO2-Messgeräten mangelt. Ein Versagen der zuständigen Kultusminister. So bleibt offen, wo der Staat geschlafen hat. Und es wird geschlossen, wo Private investiert haben. Was für ein verheerendes Signal!" Bild
"Der Lockdown zeigt: Die Politik hat wenig gelernt. Die Regeln sind widersprüchlich, ungerecht und ihr Nutzen oft fraglich." Mittelbayerische
"Bund und Länder machen bei ihrer Corona-Strategie einen Kardinalfehler: Obwohl sie bei der Eindämmung des Virus vor allem verantwortungsvoll handelnde Bürger brauchen, entziehen sie ihnen eben diese Verantwortung mit den beschlossenen Maßnahmen. Das sind nicht mehr die Züge eines liberalen, sondern eines vormundschaftlichen Staates, der seine Bürger mit Methoden zu erziehen versucht, die kein Kind verstehen würde." Rhein-Zeitung
Kommentar zu den nueen Corona-Regeln: " Das ist ungerecht und ersetzt keine fehlende Strategie"
"Die Verschärfung der Corona-Regeln trifft vor allem die Gastronomie und den Freizeitbereich. Das ist ungerecht und ersetzt keine fehlende Strategie gegen die Pandemie." Hessenschau
"Der sogenannte Wellenbrecher-Lockdown, den Merkel nun gegen die zum Teil widerstrebenden Ministerpräsidenten durchgesetzt hat, hat aber auch massive inhaltliche Widersprüche. Obwohl für drei Viertel der Infektionen nicht klar ist, wo sie herkommen, müssen die Gastronomie, die Freizeitbranche und der Kulturbereich einseitig büßen. Vor allem auch, damit Schulen und Kitas offenbleiben können." Berliner Zeitung

"Im Rückblick steht außer Frage, dass auch die Regierungen in Bund und Ländern im Ringen mit der Pandemie nicht alles richtig machten. Wie wäre das möglich gewesen? Sie bewegten sich auf Neuland, das mit tödlichen Gefahren aufwartete. Aber entscheiden mussten sie, wie jetzt wieder, auch wenn sie immer nur die Wahl zwischen Übeln hatten. So gut wie alle unsere Nachbarn in Europa haben sich ähnlich entschieden; so gut wie überall gilt Deutschland als Beispiel dafür, wie man noch am besten durch eine schlimme Zeit kommt. Das wird der deutschen Politik weiter nur gelingen, wenn bei aller berechtigten Kritik und allem nötigen Streit über den richtigen Kurs nicht vergessen wird, dass der größte Feind das Virus ist, nicht der politische Gegner." FAZ
Pressestimmen zum Lockdown: "Die Lage ist ernst. Todernst."
"Dieser zweite Lockdown für den Kultur-, Gastronomie- und Tourismusbereich trifft nicht nur die Menschen, die davon leben. Er trifft auch alle, die diese Angebote nutzen und sich an die Regeln gehalten haben. Wenn Politik aber nicht erklären kann, warum sie etwas tut, weil es ganz offensichtlich nicht erklärbar ist, dann löst Politik keine Probleme, sondern schafft neue." Allgäuer Zeitung
"Die Lage ist ernst. Todernst. Sehenden Auges genau da hinzusteuern, wo vieler andere Staaten längst sind, wäre ein Offenbarungseid für verantwortungsvolle Politiker. Deshalb auch war es so wichtig, dass sich die Regierungschefinnen und -chefs nicht nur auf rigorose, sondern auch auf schnelle Reaktionen geeinigt haben." Focus
"Die Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und jeden Einzelnen sind teils heftig. Zeigt sich in einigen Wochen, dass die neue Strategie erfolgreich war, winkt immerhin eine für viele attraktive Belohnung: die Chance auf ein halbwegs normales Weihnachtsfest." Spiegel
"Gerade läuft einiges schief im Kampf gegen die Corona-Pandemie hierzulande. Damit ist nicht der unerwartet harte Einschnitt gemeint, zu dem die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten sich jetzt entschlossen haben. Für diesen Schritt gibt es gute Gründe, die Pandemie ist in Deutschland außer Kontrolle geraten. (...) Aber damit der harte Schnitt wirken kann, braucht es endlich wieder eine den Bürgern zugewandte Kommunikation. Eine Kommunikation, die der dramatischen Lage entspricht, aber nicht Angstszenarien in den Mittelpunkt stellt, wie sie die Kanzlerin und einige Länderregierungschefs zuletzt vermittelten. Das wird jetzt die wichtigste Aufgabe der Regierenden sein: Sie müssen den Bürgern erklären, warum sofort solch harte Einschränkungen nötig sein sollen, und das unbedingt für jede Regel. " Süddeutsche