Mit einem Lächeln, aber erschreckend hager und zerbrechlich wirkend, empfing Queen Elizabeth II. in dieser Woche die neue britische Premierministerin Liz Truss. Auf einem Foto war zu sehen, wie die 96 Jahre alte Monarchin auf einen Stock gestützt, der konservativen Politikern ihre feingliedrige Hand reichte.
Der Eindruck täuschte nicht:
Queen Elizabeth II. empfing Boris Johnson und Liz Truss an einem ungewöhnlichen Ort
Die für Mittwoch geplante virtuelle Sitzung ihres Geheimrats (Privy Council) musste sie absagen. "Nach einem vollen Tag gestern hat Ihre Majestät heute Nachmittag den Rat ihrer Ärzte akzeptiert, sich auszuruhen", sagte ein Palastsprecher. Wenig beruhigend wirkte da, dass die Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Palastkreise meldete, ein Krankenhausaufenthalt sei nicht vorgesehen.

Schon der Ort für die Audienzen mit Truss und Johnson war ungewöhnlich. Normalerweise empfängt die Queen scheidende oder ins Amt kommende Regierungschefs in ihrer Hauptresidenz Buckingham Palace in London. Doch weil ihr das Gehen zunehmend schwerfällt, reisten die beiden Politiker auf Schloss Balmoral in den schottischen Highlands, wo sich die Königin traditionell von Juli bis September aufhält.
Bei der für Mittwochabend geplanten Sitzung des Privy Councils sollte Truss als First Lord of the Treasury vereidigt werden. Zudem sollten einige ihrer jüngst berufenen Kabinettskollegen in das Beratungsgremium aufgenommen werden. Der Geheimrat erfüllt heutzutage hauptsächlich zeremonielle Aufgaben, doch gilt die Aufnahme darin als Vereidigung der neuen Minister. Die Sitzung werde zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt, teilte der Palast mit.
Wie schlecht geht es Queen Elizabeth II.?
Angesichts der schwindenden Kräfte der Queen sieht der Verfassungsrechtler Craig Prescott, der in dem walisischen Städtchen Bangor an der Universität lehrt, die Zeit für eine Überarbeitung der royalen Regeln gekommen. Besser als wichtige Termine der Queen kurzfristig zu verschieben sei, bereits im Vorfeld für Vertretung zu sorgen, findet er. "Der Palast äußert sich nicht laufend zu ihrem Gesundheitszustand, aber wir können eins und eins zusammenzählen und auf den Gedanken kommen, dass sie nicht mehr so viel machen kann, wie wir gewohnt sind", sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.
Daher sei es wichtig, die Vertretungsregelung anzupassen, findet Prescott. Diese ist bisher vor allem während Auslandsreisen der Queen zur Anwendung gekommen und gilt nicht für die wichtigsten Aufgaben. So kann beispielsweise nur die Königin allein einen neuen Regierungschef ernennen oder das Parlament auflösen.
Außerdem ist der Kreis der Personen, die als Vertretung in Frage kommen, eng begrenzt. Dem derzeitigen Stand zufolge müssen für die Queen zwei von nur vier Counsellors of State einspringen. Das sind den derzeitigen Regeln zufolge Thronfolger Prinz Charles (73), Prinz William (40) sowie Prinz Andrew (62) und Prinz Harry (37).
Wer könnte die Nachfolge der Queen antreten?
Das Problem: Sowohl Harry als auch Andrew kommen als Vertreter der Queen nicht mehr infrage. Der zweitälteste Sohn der Queen, Andrew, hat sich durch seine Verstrickung in den Missbrauchsskandal um den inzwischen gestorbenen US-Multimillionär Jeffrey Epstein ins Aus manövriert.
Prinz Harry hingegen hat sich freiwillig aus dem Königshaus zurückgezogen. Er lebt inzwischen mit seiner Frau, Herzogin Meghan (41), und den beiden gemeinsamen Kindern Archie (3) und Lilibet (1) US-Bundesstaat Kalifornien. Mit seinem Vater Charles und seinem Bruder William ist er zerstritten und scheut sich nicht, immer wieder Öl ins Feuer zu gießen. Demnächst wird mit der Veröffentlichung seiner Memoiren gerechnet, die sich als Abrechnung mit den Windsors entpuppen dürften.
Prescott fordert daher eine Gesetzesänderung für den Fall, dass sowohl Charles als auch William im Ausland sind und beispielsweise rasch ein Gesetz verabschiedet werden muss. Denkbar, so der Verfassungsrechtler, wäre beispielsweise, auch Queen-Tochter Prinzessin Anne (72) und weitere Royals in den Kreis der Counsellors of State aufzunehmen.
