Als Gewitter im Gehirn werden Epilepsien und damit einhergehende epileptische Anfälle im Volksmund häufig bezeichnet. Menschen mit Epilepsien können durch ihre Krankheit im Alltag stark beeinträchtigt und großen Belastungen ausgesetzt sein. Deshalb ist es in Deutschland möglich, mit Epilepsie einen sogenannten Grad der Behinderung (GdB) zu bekommen. Je nachdem, wie hoch er ausfällt, können Betroffene bestimmte Nachteilsausgleiche bekommen. Welchen Grad der Behinderung Menschen mit Epilepsien bekommen können, erfahren Sie in diesem Artikel.
Epilepsie: Diese Einschränkungen kann die Krankheit mit sich bringen
Epilepsien sind neurologische Erkrankungen mit äußerst vielfältigem Erscheinungsbild, schreibt die Deutsche Epilepsievereinigung (DE) auf ihrer Website. Deshalb wird in der Regel von Epilepsien in der Mehrzahl gesprochen. Bei Epilepsien sind einzelne Hirnbereiche oder das gesamte Gehirn übermäßig aktiv, erklärt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf seinem Informationsportal gesund.bund. Sogenannte epileptische Anfälle werden demnach ausgelöst, wenn zu viele Signale vom Gehirn ausgehen. Das führt dazu, dass Muskeln zucken. In schweren Fällen kann der gesamte Körper bis zur Bewusstlosigkeit krampfen.
Laut dem unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) unterscheidet man bei der Epilepsie zwei Anfallsformen: generalisierte Anfälle und fokale (auch bekannt als komplex-fokale) Anfälle. Generalisierte Anfälle erfassen das gesamte Gehirn. Fokale Anfälle sind Anfälle einzelner Hirnbereiche. Generalisierte Anfälle sind nicht unbedingt schwerer als fokale Anfälle, führen aber häufiger zu Bewusstlosigkeit und Krämpfen im ganzen Körper.
Epilepsien können in jedem Alter auftreten, schreibt das BMG. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung erleiden laut DE mindestens einen epileptischen Anfall im Laufe ihres Lebens. Als zweithäufigste Erkrankung des Zentralen Nervensystems werden Epilepsien bei einem bis zwei Prozent der Bevölkerung diagnostiziert. Manche Menschen haben ihren ersten Anfall bereits als Kind, andere erst in höherem Alter. Zwischen den Anfällen sind meist keine körperlichen Beschwerden spürbar. Die Sorge, dass es erneut zu einem Anfall kommen könnte, belastet laut BMG allerdings viele Betroffene.
Durch Medikamente kann es zwar gelingen, Anfälle zu verhindern, doch sie helfen nicht immer: Etwa 3 von 10 Betroffenen haben trotz Medikamenteneinnahme weiter regelmäßig Anfälle, erklärt das IQWiG.
Was ist der Grad der Behinderung?
Der GdB beschreibt laut dem Sozialverband VdK Deutschland, wie stark jemand durch eine körperliche, geistige, seelische oder Sinnesbeeinträchtigung im Alltag eingeschränkt ist. Der GdB ist demnach unabhängig von der Ursache und Diagnose. Er wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 festgelegt, weshalb er fälschlicherweise oft mit einer Prozentzahl verwechselt wird. Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und ist dazu berechtigt, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Der GdB wird laut VdK auf Antrag durch ärztliche Gutachten ermittelt und berücksichtigt alle vorliegenden Beeinträchtigungen im Zusammenspiel. Dabei werden die einzelnen Beeinträchtigungen nicht addiert, sondern nach ihren kombinierten Auswirkungen bewertet, schreibt der Sozialverband.
Je nachdem, wie hoch ihr GdB ist, können Menschen mögliche Nachteilsausgleiche bekommen. Das sind Schutzrechte oder Leistungsansprüche, etwa bei Steuern, im Arbeitsrecht oder im öffentlichen Nahverkehr. Ein GdB von 50 oder höher ermöglicht besonders große Unterstützungen, doch auch Menschen mit einem niedrigeren GdB erhalten bereits Nachteilsausgleiche und können zudem einen sogenannten Gleichstellungsantrag stellen. Laut DE können Epileptiker mit Schwerbehindertenausweis auch bestimmte Merkzeichen bekommen, die den Inhaberinnen und Inhabern weitere besondere Rechte und Vergünstigungen sichern. Der GdB wird laut VdK vom Versorgungsamt des Wohnortes festgestellt. Dafür reicht man dort einen formlosen GdB-Antrag oder ein offizielles Formular ein.
Übrigens: Der Grad der Behinderung wird oft mit dem Pflegegrad verwechselt. Die Begriffe sind zwar beide für die Pflege relevant, doch sie haben zwei verschiedene Bedeutungen.
Wie hoch kann der Grad der Behinderung bei Epilepsie sein?
Eine Epilepsie-Diagnose bedeutet per se noch keine Behinderung. Epilepsien können Betroffene ganz unterschiedlich beeinträchtigen. Die DE erklärt in einer Broschüre, dass die Beurteilung des GdB von der Art, Schwere, Häufigkeit und tageszeitlichen Verteilung der epileptischen Anfälle abhängt. Die Einstufung des GdB ist demnach folgendermaßen festgelegt:
- GdB 40: sehr selten (komplex-fokale und generalisierte Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr; kleine und einfach fokale Anfälle mit Pausen von Monaten)
- GdB 50-60: selten (komplex-fokale und generalisierte Anfälle mit Pausen von Monaten; kleine und einfach fokale Anfälle mit Pausen von Wochen)
- GdB 60-80: mittlere Häufigkeit (komplex-fokale und generalisierte Anfälle mit Pausen von Wochen, kleine und einfach fokale Anfälle mit Pausen von Tagen)
- GdB 90-100: häufig (komplex-fokale oder generalisierte Anfälle wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder multifokalen Anfällen; kleine und einfach fokale Anfälle täglich)
Nach dreijähriger Anfallsfreiheit bei weiterer Notwendigkeit einer sogenannten antikonvulsiver Behandlung gilt ein GdB von 30. Als ganz abgeklungen gilt ein Anfallsleiden, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit besteht. Lässt sich kein Hirnschaden nachweisen, kann dann laut DE kein Grad der Behinderung mehr angenommen werden.
Übrigens: Einen GdB können nicht nur Betroffene von chronischen Krankheiten bekommen; auch Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depression oder mit Prothesen können ihn bekommen.
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