In Deutschland werden viele pflegebedürftige Menschen zu Hause in den eigenen vier Wänden gepflegt - meist von Angehörigen. Grundsätzlich können Betroffene aber selbst entscheiden, wie sie versorgt werden wollen. So werden etwa 16 Prozent der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt in einem Pflegeheim betreut.
Dabei ist die stationäre Pflege oft mit höheren Kosten verbunden. Zwar greifen die Leistungen der Pflegeversicherung, doch diese decken nur einen Teil der anfallenden Kosten ab. Der verbleibende Eigenanteil kann für viele Menschen mit einem Pflegegrad von 1 bis 5 zur Herausforderung werden, denn nicht immer reichen Rente und Ersparnisse aus, um die finanzielle Lücke zu schließen. In einem solchen Fall können Pflegebedürftige laut dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) die sogenannte Hilfe zur Pflege beantragen.
Bevor die Sozialleistung greift, müssen ab einem bestimmten Einkommen allerdings zunächst die Kinder für die Pflege ihrer Eltern aufkommen. Wie weit dabei die Auskunftspflicht von Angehörigen geht - und welche Grenze das Sozialamt nicht überschreiten darf, damit hat sich das Bundessozialgericht in Kassel Mitte November 2024 befasst.
Übrigens: Wer Hilfe zur Pflege beantragt, muss zunächst das vorhandene Vermögen bis zu einem bestimmten Betrag für die Finanzierung der Pflege einsetzen. Dabei handelt es sich um das Schonvermögen.
Pflege im Pflegeheim: Wann müssen Kinder für ihre Eltern aufkommen?
Wann Kinder für die Pflege ihrer Eltern aufkommen müssen, ist gesetzlich geregelt. Laut dem Bundessozialgericht darf das Sozialamt in Bezug auf einen möglichen Unterhaltsanspruch der Eltern erst bei deren erwachsenen Kindern anklopfen, wenn das Einkommen des Kindes einen Betrag von 100.000 Euro pro Jahr übersteigt. Geregelt ist das im Angehörigen-Entlastungsgesetz.
Auch geregelt ist, dass zunächst angenommen werden muss, dass die Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Erst, wenn diese Vermutung widerlegt ist, kann laut dem Bundessozialgericht „Auskunft vom unterhaltsverpflichteten Kind verlangt und anschließend ein Unterhaltsrückgriff vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden“. Dabei kann gegebenenfalls auch vorhandenes Vermögen berücksichtigt werden.
In einem Fall aus dem Landkreis Neuwied (Rheinland-Pfalz) ist ein Sozialhilfeträger bei dem Versuch, zu beweisen, dass das Jahreseinkommen des Sohns eines Pflegeheimbewohners über 100.000 Euro liegt, wohl einen Schritt zu weit gegangen. Der Sohn ist vor Gericht gezogen und hat recht bekommen. Was ist passiert?
Pflege der Eltern: Darf das Amt Kinder online ausspähen und zur Kasse bitten?
In dem Fall aus Rheinland-Pfalz hatte laut dem Bundessozialgericht ein Mann geklagt, dessen Vater in einem Seniorenheim untergebracht ist und Hilfe zur Pflege bekommt. Um die Vermutung, dass das Jahreseinkommen des Mannes unter 100.000 Euro liegt, zu widerlegen, hat das Sozialamt im Internet nach dessen Arbeitgeberin - einer Digitalagentur mit über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie einem Umsatz im hohen siebenstelligen Bereich - gesucht. Aufgrund seiner dortigen Stelle als Chief Technology Officer (CTO) ging das Sozialamt davon aus, dass der Mann jährlich mehr als 100.000 Euro verdiente und verlangte Auskunft über sein Einkommen und Vermögen. Dieser wehrte sich: Mit den genannten Informationen sei die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt, daher bestehe keine Auskunftspflicht, argumentierte er.
Das Bundessozialgericht gab dem Mann nun recht: Nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz dürfen Vermögensauskünfte erst dann eingefordert werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Einkommensgrenze von 100.000 Euro überschritten wird, entschied der 8. Senat.
Im konkreten Fall hätte das Sozialamt nach der Recherche im Internet nur Auskunft über das Bruttojahreseinkommen des Mannes erfragen dürfen. Erst danach und wenn die 100.000-Euro-Grenze tatsächlich überschritten wurde, hätte das Sozialamt in einem zweiten Schritt Auskunft über das Vermögen des Mannes verlangen dürfen. Das umfassende Auskunftsverlangen war deshalb laut dem Bundessozialgericht rechtswidrig.
Darf das Sozialamt Kinder von Sozialhilfeempfängern also online ausspähen und zur Kasse bitten? Grundsätzlich spricht laut dem Bundessozialgericht nichts dagegen, dass der Sozialhilfeträger Anhaltspunkte zum Widerlegen der gesetzlichen Vermutung von einem Jahreseinkommen unter 100.000 Euro im Internet - also einer öffentlich zugänglichen Quelle - sucht. Denn das Amt sei nicht auf die Auskünfte des Leistungsberechtigten - in diesem Fall der pflegebedürftige Vater im Heim - beschränkt. Aber der Sozialhilfeträger hätte auf Grundlage der Erkenntnisse aus dem Internet zunächst nur Auskunft über das Einkommen des Sohnes verlangen dürfen - nicht über sein Vermögen.
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