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Amerika greift den Iran an: Das könnten die Folgen sein

Eskalation in Nahost

Amerika greift den Iran an: Trumps großes Täuschungsmanöver

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    US-Präsident Donald Trump verfolgt im „Situation Room“ des Weißen Hauses die Angriffe auf iranische Atomstandorte.
    US-Präsident Donald Trump verfolgt im „Situation Room“ des Weißen Hauses die Angriffe auf iranische Atomstandorte. Foto: imago/UPI Photo

    Ganz gegen seine Gewohnheit sagte Donald Trump kein einziges Wort, als er am Samstagabend um 18.01 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit aus der Marine One kletterte. Auf seinem Golfclub in New Jersey hatte er zuvor um Spenden geworben und bei brütend-heißen Temperaturen ein paar Bälle geschlagen. Nach der Landung des Hubschraubers vor dem Weißen Haus zeigte Trump nur stolz auf den 88 Meter hohen Fahnenmast mit der US-Flagge, den er dort in der vergangenen Woche hatte errichten lassen.

    Trump nahm an einer bereits am Vortag terminierten Sitzung seines Nationalen Sicherheitsrats teil. Offiziell war Feierabend: Das Weiße Haus schickte die wartenden Reporter des Presse-Pools nach Hause. Allenfalls in der Filiale der Pizzakette Papa Johns in der Nähe des Pentagons hätte man ahnen können, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging: Dort schnellten gegen 19 Uhr nach einer Statistik der Online-App „Pentagon Pizza Report“ die Bestellungen hoch - ein Anzeichen für Überstunden der Soldaten im US-Verteidigungsministerium.

    Angriff auf den Iran: Den Kongress hatte Trump im Dunkeln gelassen

    Tatsächlich entfaltete sich zu dieser Zeit mehr als 10.000 Kilometer entfernt, mitten in der iranischen Nacht, die hochgeheime Operation „Midnight Hammer“. Sieben amerikanische B2-Tarnkappenbomber waren nach einem 18-stündigen Flug mit bewussten Ablenkungs- und Täuschungsmanövern in den Luftraum der islamischen Republik eingedrungen. Sie warfen insgesamt 14 gewaltige bunkerbrechende Bomben auf die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo ab, während Tomahawk-Marschflugkörper auf die Atomanlagen in Natans und Isfahan von einem amerikanischen U-Boot abgefeuert wurden.

    Reporter fotografieren eine Grafik mit der Überschrift Operation Midnight Hammer" während einer Pressekonferenz im Pentagon zu den US-Angriffen auf Atomanlagen im Iran.
    Reporter fotografieren eine Grafik mit der Überschrift Operation Midnight Hammer" während einer Pressekonferenz im Pentagon zu den US-Angriffen auf Atomanlagen im Iran. Foto: Alex Brandon, dpa

    Als Trump um 19.50 Uhr auf seinem Propagandadienst „Truth Social“ plötzlich mitteilte, das Militär habe „einen sehr erfolgreichen Angriff auf drei Atomstandorte im Iran abgeschlossen“, war nicht nur die amerikanische Öffentlichkeit komplett überrascht. Immerhin hatte der Präsident noch am Freitag erklärt, er wolle sich mit der Entscheidung über einen hochgefährlichen Eintritt seines Landes in den Krieg zwischen Israel und dem Iran zwei Wochen Zeit lassen. Das war eine Finte. Auch den Kongress, der einem solchen Militärschlag laut Verfassung zustimmen müsste, hatte Trump im Dunkeln gelassen.

    Trump spricht von „spektakulärem militärischem Erfolg“

    Entsprechend chaotisch ging es bei den Fernsehsendern zu. Die Moderatoren mussten teilweise vor laufenden Kameras die Eilmeldungen lesen. Der Sender CNN, der immerhin im Iran präsent ist, klingelte seinen Reporter Frederick Pleitgen eilig aus dem Schlaf. Anderswo rätselten verblüffte Experten in Schaltgesprächen besorgt, wie es nun weitergehe. Nur beim rechten Sender Fox News, der seit Tagen für die Bombardierung der Atomanlagen getrommelt hatte, herrschte regelrechtes Triumphgeheul. „Das wird als einer der größten militärischen Siege der Geschichte in die Annalen eingehen“, verkündete der Moderator Sean Hannity.

    Auch Trump selbst wählte große Worte, als er sich dann um 22 Uhr mit einer Fernsehansprache an die Nation wandte. Er sprach von einem „spektakulären militärischen Erfolg“. Doch verzichtete er - anders als bei ihm sonst üblich - auf spontane Ausschmückungen und hielt sich ganz an das Manuskript. Nur wenige Minuten dauerte der Auftritt, der eine doppelte Botschaft aussandte: Die Anreicherungsanlagen des Irans seien „vollständig und restlos zerstört“. Nun müsse „der Tyrann des Nahen Ostens“ Frieden schließen - „oder es wird eine Tragödie für Iran geben, weitaus schlimmer als das, was wir in den letzten acht Tagen gesehen haben“.

    US-Geheimdienstchefin sah keine akute Gefahr durch das Atomprogramm

    Trump ließ sich von seinem Vizepräsidenten J.D. Vance, dem Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth einrahmen. Das alles sollte kraftvoll wirken. Doch nicht nur das holprig vorgelesene Statement nahm etwas von dem gewünschten Eindruck. Auch fehlte bei dem Auftritt bemerkenswerterweise Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard, die keine akute Gefahr durch das Atomprogramm des Iran hatte erkennen können.

    Das von  Maxar Technologies zu Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt die Atomanlage Fordo.
    Das von Maxar Technologies zu Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt die Atomanlage Fordo. Foto: ---/Satellite image ©2019 Maxar Technologies/AP/dpa

    Viele entscheidende Fragen sind offen. Auch Verteidigungsminister Hegseth konnte sie bei einer Pressekonferenz am Sonntagmorgen nicht wirklich beantworten. Er pries vor allem die Leistung seines Chefs: „Wenn dieser Präsident spricht, sollte die Welt zuhören.“ Der kritischen Frage, ob die US-Regierung wie der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu direkt oder indirekt einen „Regime Change“, einen Sturz des Mullah-Regime unter Ayatollah Chamenei, anstrebt, wich er aus: Bei dieser Aktion sei es nicht darum gegangen. Während Trump von einer „Auslöschung“ der iranischen nuklearen Ambitionen gesprochen hatte, äußerte sich General Dan Caine, der militärische Oberbefehlshaber der US-Armee, vorsichtiger: Alle Ziele seien getroffen worden und die US-Einheiten unbeschadet zurückgekehrt. Doch es sei zu früh, zu sagen, ob das iranische Atomprogramm komplett beendet worden sei.

    Was bedeutet diese Wendung für den Krieg?

    Ortswechsel. Tel Aviv. Ein weiterer Raketenalarm, diesmal um halb acht Uhr morgens. Für die Menschen in Israel ist das zur traurigen Routine geworden. Doch am Sonntagmorgen war etwas anders. Schnell machte die Nachricht, dass die USA Fordo bombardiert hatten, die Runde unter verschlafenen Nachbarn, die der Alarm in den gemeinsamen Bunker getrieben hatte. Euphorie mischte sich bald mit Sorge: Was bedeutet diese Wendung für den Krieg? Wie hart kann der Iran noch zurückschlagen?

    Eins steht bereits fest: Das Kalkül des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist aufgegangen. Die israelische Offensive gegen das iranische Atomprogramm, die am 13. Juni begann, hatte trotz ihrer militärischen Erfolge eine entscheidende Schwäche: Es galt als Konsens unter Experten, dass nur bunkerbrechende Bomben im Besitz der USA die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo im Nordwesten des Irans zertrümmern können. Wäre Fordo intakt geblieben, hätte Israel sein Kriegsziel verfehlt. Viele Analysten glauben deshalb, dass Netanjahu von vornherein auf den Kriegseintritt der USA gebaut hatte.

    In Israel stieß die US-Attacke auf großen Zuspruch

    Am Sonntagmorgen meldete sich der Premier mit einer triumphierenden Videobotschaft zu Wort. „Liebe Bürger Israels, meine Brüder und Schwestern“, sagte er. „Sie erinnern sich, dass ich Ihnen von Beginn der Operation an versprochen habe, die iranischen Atomanlagen würden zerstört werden – auf die eine oder die andere Weise. Dieses Versprechen wurde gehalten.“Neben Fordo bombardierte das US-Militär außerdem die Atomanlagen in Natans und Isfahan, die Israel bereits in den letzten Tagen angegriffen hatte – in voller Abstimmung mit Israel, wie Netanjahu betonte.

    In Israel stieß die US-Attacke auf großen Zuspruch. Selbst Israels Oppositionsführer Yair Lapid fand lobende Worte für den politischen Rivalen: „Das ist ein Erfolg für Netanjahu, Trump und die freie Welt“, sagte er in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Radiosender Kan Reshet Bet.

    Der Iran kann noch immer eskalieren

    Doch dass das Regime in Teheran nun demütig an den Verhandlungstisch zurückschleicht, ist nicht zu erwarten. Stattdessen dürfte es zurückschlagen – in dem Versuch, nach dieser militärischen Demütigung zumindest ansatzweise sein Gesicht zu wahren. Und der Iran, obgleich geschwächt, kann noch immer eskalieren: etwa mit Angriffen auf die zahlreichen US-Stützpunkte in der nahen Golfregion. Auch die Huthi-Milizen im Jemen, die zu Teherans Verbündeten zählen, haben bereits mit Angriffen gegen amerikanische Ziele in der Region gedroht.

    Trump bei der Beobachtung des Angriffs im Situation Room.
    Trump bei der Beobachtung des Angriffs im Situation Room. Foto: imago/UPI Photo

    Und auch in Israel richten iranische Raketen immer neue Schäden an – trotz des mehrschichtigen Flugabwehrsystems des Landes, das zu den besten der Welt gehört. Allein am Sonntagmorgen schlugen mehrere Geschosse in Gebäuden ein, unter anderem in Tel Aviv. Luftaufnahmen von der Einschlagstelle zeigen eine Reihe zweistöckiger Häuser, fast vollständig zerstört. Dass ersten Meldungen zufolge keiner der Bewohner ums Leben kam, dürften diese ihren Bunkern und Schutzräumen verdanken.

    Zweifel, ob das Atomprogramm gänzlich vernichtet wurde

    Zudem bestehen Zweifel daran, dass die USA das iranische Atomprogramm gänzlich vernichten können. „Die Iraner konnten damit rechnen, dass Fordo attackiert wird“, meint Danny Citrinowicz, Iranexperte vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Man kann davon ausgehen, dass sie wichtige Elemente vorher an einen anderen Ort verlegt haben.“ Anders als andere Kommentatoren in Israel hält er den Krieg noch längst nicht für gewonnen. „Ich versuche, gegen die Euphorie anzukämpfen, die gerade in Israel herrscht“, erklärt er. „Ja, wir haben beachtliche militärische Erfolge im Iran; und dass Netanjahu Trump dazu gebracht hat, iranische Atomanlagen anzugreifen, ist beispiellos in vielerlei Hinsicht. Trotzdem verfolgen Israel und die USA unterschiedliche Interessen: Israel will einen Regimewechsel im Iran, die USA wollen den Iran zurück zum Verhandlungstisch drängen.“ Zwar hat Netanjahu einen Sturz der Führung in Teheran nicht ausdrücklich als Kriegsziel formuliert; vieles deutet aber daraufhin, dass er dies anstrebt. Die USA wiederum verlangen, dass das iranische Regime komplett auf Urananreicherung im eigenen Land verzichtet.

    Citrinowicz, der lange im israelischen Militärgeheimdienst gearbeitet hat, hält beide Ziele für unrealistisch. Die Iraner würden weiterkämpfen, auch gegen eine militärische Übermacht – das gehöre zum Selbstverständnis eines Regimes, das im Westen oft missverstanden werde. „Ja, der Angriff der USA war bedeutsam“, fasst er zusammen, „aber er hat keines der Probleme gelöst.“

    Wie eine iranische Antwort aussehen könnte, ist offen

    Es könnten sogar neue hinzukommen. Irans Außenminister Abbas Araghci warf Trump vor, „die Diplomatie verraten“ und eine wichtige rote Linie überschritten zu haben. Das werde nicht unbeantwortet bleiben, sagte Aragchi bei einem Besuch in Istanbul.

    Wie eine iranische Antwort aussehen könnte, war am Sonntag offen. Araghci sagte, sein Land habe eine Reihe von Optionen. Er wollte aber nicht sagen, ob Teheran eine Sperrung der weltwirtschaftlich wichtigen Tanker-Route in der Straße von Hormuz im Persischen Golf in Erwägung zieht. Die Revolutionsgarde kündigte Vergeltungsaktionen an, die von den USA und Israel nicht erwartet würden.

    Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak sind möglich

    Möglich sind auch iranische Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak oder in anderen arabischen Ländern oder neuer Raketenbeschuss der mit Iran verbündeten Huthi-Rebellen im Jemen auf westliche Schiffe im Roten Meer. In der Region wächst die Angst vor einem großen Krieg. Saudi-Arabien versetzte seine Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft, Bahrain schickte Regierungsangestellte nach Hause, und Kuwait richtete Schutzräume in wichtigen Ministerien ein.

    Politisch versucht der Iran, als Opfer der israelisch-amerikanischen Angriffe neue Verbündete zu suchen. Araghci traf sich in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als „das größte Hindernis für den Frieden in der Region“ bezeichnete. Der iranische Außenminister will nach eigenen Worten außerdem an diesem Montag mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin sprechen, dessen Regierung den US-Angriff als „unverantwortlich“ kritisierte.

    Wie geht es jetzt weiter? Was passiert, wenn Teheran mit der Schließung der wichtigen Schifffahrtsstraße von Hormus, mit Attacken auf die 40.000 in der Region stationierten amerikanischen Soldaten oder Terroranschlägen in den USA reagiert? Wird Israel seine Angriffe einstellen, wenn der Iran tatsächlich verhandeln sollte? Auf alle diese Fragen gab es am Sonntag keine Antworten.

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