Noch drei Wochen sind es, dann wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Seit sich Friedrich Merz entschieden hat, in Kauf zu nehmen, einen Antrag im Bundestag gemeinsam mit Stimmen der AfD durchzusetzen, prägt vor allem ein Thema den Wahlkampf: die Migrationspolitik. Aber ist sie wirklich die größte Herausforderung, die im Land nach der Wahl zu lösen ist? Das wollte eine Leserin auf unserem Whats-App-Kanal zur Bundestagswahl wissen. Unsere Redaktion hat deshalb bei verschiedenen Stellen nachgefragt, was sie für die größte Herausforderung im Land halten und wie sich diese lösen ließe. Es folgen fünf Antworten.

Bischof Bertram: „Es muss uns ein Anliegen sein, die gesunde Mitte zu stärken“
Die größte Herausforderung in unserem Land besteht darin, dass wir trotz aller Unterschiede den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wahren und Polarisierungen entgegentreten. Deshalb muss es unser Anliegen sein, die gesunde Mitte zu stärken und uns von menschenverachtenden sowie demokratiefeindlichen Tendenzen klar zu distanzieren.

Ulrich Wagner, Geschäftsführer der Handwerkskammer: „Parteipolitische Scharmützel müssen beendet werden.“
Trump im Westen, Putin und Xi Jinping im Osten. Die Herausforderungen und Bedrohungen für Deutschland und ganz Europa sind deutlich sicht- und spürbar. Wir müssen ins Handeln kommen und endlich raus aus dem Reformstau, der unser Land lähmt. Dazu braucht es zuverlässige Rahmenbedingungen, weniger Bürokratie und sinnvolle wie kraftvolle Investitionen. Nur so kommen das Handwerk und die Wirtschaft insgesamt wieder ins Laufen und wir sind auf allen Feldern handlungsfähig.
Parteipolitische Scharmützel müssen beendet werden. Es braucht mehr Kooperation, vor allem in den wichtigsten wirtschaftspolitischen Bereichen. Wenn die neue Regierung im Amt ist, sollte sie beherzt und entschlossen die nötigen Reformen angehen – ohne Gedanken an die nächsten Wahlen. Die Bürgerinnen und Bürger und vor allem auch das Handwerk erwarten Einigkeit bei der Lösung von drängenden Problemen in vielen Bereichen. Nur zusammen geht es nach vorne.
Justin Infantado und Richard Freis, Landesschülersprecher: „Gegenseitiger Respekt ist die Grundlage der Demokratie“
Die derzeit größte Herausforderung in unserem Land ist unserer Meinung nach die wachsende Spaltung. Die Diskussionskultur wird immer unprofessioneller und persönlicher, sowohl im öffentlichen Raum als auch auf privater Ebene. Grautöne, die bei einer Diskussion entstehen sollten, verschwinden und das Schwarz-Weiß-Denken dominiert. Kompromisse entstehen kaum noch, nur die eigene Meinung zählt. Die Fronten im Gespräch verhärten sich und der Stau, der sich dadurch bildet, lässt sich nicht mehr auflösen.
Um dem entgegenzuwirken, muss etwa durch eine Anpassung der Lehrpläne wieder gegenseitiger Respekt gelehrt werden. Debatten innerhalb der Klassen müssen gefördert und Exkurse zu Gesprächsverhalten angeboten werden. Außerdem müssen unsere demokratischen Werte weitergegeben und umgesetzt werden, vor allem, dass andere Meinungen existieren und jeder Mensch eine Stimme hat. Denn der gegenseitige Respekt ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie.

Bayerischer DGB-Chef Bernhard Steidl: „Die neue Regierung muss sich vom Dogma der Schuldenbremse befreien“
Aus Sicht des DGB Bayern ist die größte Herausforderung die aktuelle wirtschaftliche Lage und im Umkehrschluss die Frage, wie uns in Deutschland möglichst schnell eine wirtschaftspolitische Trendwende gelingen kann. Die deutsche Wirtschaft ist 2024 das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Viele Firmen drohen mit Stellenabbau und Verlagerung. Hinzu kommt, dass sich bestehende Fachkräfteengpässe weiter verschärfen und zugleich der sozial-ökologische Wandel bewältigt werden muss.
Gerade in puncto Investitionen haben wir massiven Nachholbedarf. Denn während die meisten EU-Länder, die USA und China ihren Volkswirtschaften mit Milliardenbeträgen unter die Arme greifen, gilt in Deutschland die Schuldenbremse. Wir fordern daher von der kommenden Bundesregierung, sich mithilfe einer umfassenden Reform vom selbst auferlegten Dogma der Schuldenbremse zu befreien.

IHK-Sprecher Thomas Schörg: Bürokratie, Arbeitskosten und geringe Nachtrage treiben Unternehmen um
Aus IHK-Umfragen wissen wir, dass derzeit drei Punkte die Wirtschaft besonders umtreiben. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden durch eine zunehmende Bürokratisierung erheblich belastet. Zudem stellen hohe Arbeitskosten für Unternehmen eine große Herausforderung dar, während das Arbeitsvolumen aus Sicht der Wirtschaft erhöht werden sollte. Hinzu kommt, dass derzeit auch die Inlandsnachfrage von Bürgern, Staat und Unternehmen zu gering ist, sodass die regionale Wirtschaft nicht so viele Waren und Dienstleistungen absetzen kann, wie es für ein wirtschaftliches Wachstum erforderlich wäre.
Rund um das Thema Bürokratie drängen die Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen auf Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und den Abbau von Meldepflichten sowie Digitalisierung der Verwaltungsprozesse. Gleichzeitig sollte sich die Politik dafür einsetzen, das Arbeitsvolumen zu erhöhen. Ein Beispiel dafür sind steuerliche Anreize, die die Erwerbstätigkeit steigern und die Teilzeitquote senken. Um die Inlandsnachfrage zu steigern, sollte der Gesetzgeber die Steuer- und Abgabenlast für Bürger und Unternehmen senken. Damit ließe sich das verfügbare Einkommen erhöhen und Investitionen fördern.
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