Mitte Juli vor fünf Jahren lag die erste Coronawelle schon sechs Wochen zurück, da diskutierten die Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber, ob es nicht bei einem erneuten Großausbruch sinnvoll wäre, ganze Landkreise innerhalb Deutschlands mit Ausreisesperren zu belegen. In Bayern durften sich wieder Gruppen von bis zu zehn Menschen persönlich treffen, in Baden-Württemberg sogar zwanzig. In den USA berichteten Medien groß darüber, dass US-Präsident Donald Trump nach langem Zögern öffentlich eine blaue Schutzmaske trug und bekannte: „Ich finde es großartig, eine Maske zu tragen.“ Zeitgleich schossen an den US-Börsen die Aktien einer damals kaum bekannten Firma namens Moderna in die Höhe, die erste positive klinische Testergebnisse eines möglichen Corona-Impfstoffs vermeldete.
Kinder und Jugendliche leiden oft bis heute an Folgen der Pandemiepolitik
Heute erinnern sich die Deutschen meist mit Unbehagen an die damalige Zeit zurück. Doch inzwischen holt sie unter anderem den damaligen CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn ein. Seit Wochen steht der heutige Unionsfraktionschef in der Kritik. Die von seinem SPD-Nachfolger Karl Lauterbach beauftragte Sonderermittlerin Margaretha Sudhof warf Spahn in einem lange geheim gehaltenen Bericht vor, massenhaft überteuerte Coronaschutzmasken gekauft zu haben und dabei eigenmächtig gegen den Rat von Fachbeamten gehandelt zu haben. In den Bundesländern wird bis heute die lange Schließung von Schulen und Kindergärten kritisiert. Vor allem bei damaligen Kindern und Jugendlichen haben die damaligen Entscheidungen laut Fachleuten bis heute Spuren hinterlassen.
Der heutige Vorsitzende der in Bayern mächtigen CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek, verdankt der Pandemie seinen bundesweiten Bekanntheitsgrad. Im August 2020 machte ihn Ministerpräsident Markus Söder erst zum Staatssekretär im bayerischen Gesundheitsministerium, wenige Monate später übernahm er als Krisenmanager den Ministersessel. „Oberstes Ziel aller damaligen Entscheidungsträger war es, Menschenleben zu schützen“, sagt Holetschek heute. „Es gab für diese Pandemie keine Blaupause.“ Im Gegenteil, die Herausforderungen waren immens, wie Holetschek in drastischen Worten betont: „In einer Art Gesundheit-Krieg mussten wir schnell und entschlossen handeln und Verantwortung übernehmen.“
Holetschek über Pandemiepolitik: „Natürlich sind auch Fehler passiert“
Der CSU-Politiker sieht die Bilanz jedoch unter Strich positiv: „Es war eine große Gemeinschaftsleistung bis zuletzt – getragen von dem Willen, Lösungen herbeizuführen und Menschenleben zu retten“, betont er. „Ich kann nur allen danken, die sich damals großartig engagiert haben: Pflegekräfte, Ärzte, Rettungsdienste, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kommunen und Verwaltung und viele mehr.“
Doch auch die Schattenseiten der Politik dürfe man nicht ignorieren: „Natürlich sind auch Fehler passiert“, sagt Holetschek. „Mit dem Wissen von heute – das uns damals nicht zur Verfügung stand – würden wir bei Themen wie Schulschließungen im Hinblick auf die psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen heute anders handeln. Deshalb ist die Aufarbeitung mit Blick in die Zukunft genau der richtige Weg.“

Holetschek begrüßt, dass der Bundestag am Donnerstag die Einrichtung einer sogenannten „Enquete-Kommission“ beschlossen hat. Das französische „Enquête“ heißt zwar nichts anderes als „Untersuchung“, doch die Kommission unterscheidet sich wesentlich von einem Untersuchungsausschuss, weil sie zur Hälfte aus 14 Bundestagsabgeordneten und zusätzlich aus 14 unabhängigen Sachverständigen besteht. Sie sollen bis Mitte 2027 einen Bericht zur „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ vorlegen.
Corona-Aufarbeiter sollen auch Kinder und Jugendliche anhören
Das Gremium soll nach Willen des Bundestags nicht nur im Stillen tagen, sondern öffentliche Anhörungen von Experten, Interessenvertretern und Betroffenen abhalten. Auch Kinder und Jugendliche sollen altersgerecht befragt werden und in öffentlichen Veranstaltungen soll die Meinung der Bevölkerung gehört werden.
Grüne und Linke tragen die Kommission mit, auch wenn sie zusätzlich einen Untersuchungsausschuss zum Vorgehen Spahns als Gesundheitsminister fordern. Da beide Parteien das Gremium aber nicht mit Stimmen der AfD durchsetzen wollen, hängt es wohl nun von der SPD ab, ob es tatsächlich dazu kommt. Nachdem eine erneute Anhörung von Sonderermittlerin Sudhof hinter verschlossenen Türen im Gesundheitsausschuss keine Klarheit brachte, schloss der SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis erstmals nicht aus, dass seine Fraktion tatsächlich einen Untersuchungsausschuss mitunterstützen könnte, der Spahn und die Ex-SPD-Staatsekretärins unter Eid vernehmen könnte.
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