Es ist eine Selbstverständlichkeit, die gar nicht so selbstverständlich ist: Egal, wo man sich in Deutschland befindet, der Strom kostet überall etwa ähnlich viel. Zumindest, wenn man den Börsenpreis zugrunde legt. Dabei würden die Gesetze des Marktes eigentlich etwas ganz anderes diktieren. Durch den Atomausstieg und die Energiewende reicht die Stromproduktion in Süddeutschland mit seinen großen Industriestandorten nicht mehr, um den Bedarf zu decken, während im Norden mehr Strom produziert als verbraucht wird. Oft müssen Netzbetreiber eingreifen, um Stromausfälle zu vermeiden. Das erzeugt gewaltige Kosten. Viele andere europäische Länder sind deshalb bereits in unterschiedliche Strompreiszonen aufgeteilt. Unter anderem hat Schweden vier Strompreiszonen, Dänemark zwei, Norwegen fünf und Italien sechs. Deutschland bildet hingegen mit Luxemburg eine gemeinsame Strompreiszone. Das wurde immer wieder infrage gestellt.
Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) hat nun geprüft, ob die bestehenden Preiszonen auch künftig sinnvoll sind oder ob andere Zuschnitte effizienter wären. Das Ergebnis: ENTSO-E empfiehlt auch für Deutschland und Luxemburg die Aufteilung in mehrere Preiszonen, idealerweise in fünf Zonen. Laut der Untersuchung würde dieser Schritt Kosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro sparen. Die Empfehlung der Behörde ist nicht bindend, die Mitgliedstaaten der EU haben nun sechs Monate Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Falls kein einstimmiger Beschluss zustande kommt, trifft die EU-Kommission innerhalb sechs weiterer Monate eine Entscheidung über den künftigen Zonenzuschnitt.
Koalition will an einer einheitlichen Preiszone festhalten
Einfach dürfte das nicht werden, denn das Thema ist kontrovers. Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg dringt man darauf, am jetzigen Modell nicht zu rütteln. Denn sollte es künftig zu Engpässen kommen, würde sich das wohl auf den Preis auswirken. Anders gesagt: Es gibt die Befürchtung, dass der Strom im Süden Deutschlands teurer werden könnte, im Norden eher günstiger. „Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest“, heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD.
Auch viele Verbände positionieren sich. „Eine Aufteilung des deutschen Strommarktes würde insbesondere die industriestarken Regionen in Hochpreiszonen für Elektrizität wandeln“, warnen Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, und Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, in einem gemeinsamen Statement. „Die im internationalen Vergleich ohnehin bereits sehr hohen Stromkosten würden weiter in die Höhe getrieben, die dort ansässigen Unternehmen erheblich benachteiligt und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv geschwächt – mit entsprechenden negativen Folgen für Wohlstand und Beschäftigung.“
Viele Wissenschaftler sprechen sich für mehrere Preiszonen aus
Für eine Aufteilung des deutschen Strompreismarktes setzt sich unterdessen Schweden ein. Die dortige Energieministerin Ebba Busch schimpfte jüngst lautstark über die deutsche Energiepolitik. Denn die lässt auch in Teilen Schwedens die Preise steigen. Vor allem in Zeiten von so genannten Dunkelflauten, in denen wenig Strom aus Wind und Sonne erzeugt wird, kauft Deutschland Strom aus Schweden – die steigende Nachfrage sorgt für steigende Preise. „Ich möchte, dass Deutschland in seinem nördlichen Teil eine Strompreiszone einführt“, forderte die Ministerin daher.
Auch viele Wissenschaftler sprechen sich für regionale Preis-Signale aus, auch um den Herausforderungen gerecht zu werden, die schon jetzt abzusehen sind: Es wird immer mehr Strom verbraucht. „Das deutsche Stromsystem mit der einheitlichen Gebotszone ist derzeit blind für die Auslastung des Übertragungsnetzes. Um das Stromsystem zukunftsfest zu gestalten und hohe Kosten zu vermeiden, braucht es Preissignale, die lokale Produktion und Nachfrage realitätsnah abbilden“, sagt Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks.
Der Strommarkt, wie er aktuell organisiert sei, ignoriere die alltäglichen Probleme, wie etwa die ungleiche Erzeugung von Strom und die hohen Kosten des so genannten Redispatch. Darunter versteht man Eingriffe der Netzbetreiber in die Stromerzeugung von Kraftwerken. Ziel ist, bestimmte Abschnitte vor Überlastung zu schützen. Dabei werden bei einem drohenden Engpass Kraftwerke diesseits des Engpasses angewiesen, ihre Einspeisung zu drosseln. Das sind zum Beispiel Windräder in Norddeutschland, die abgeregelt werden. Anlagen jenseits des Engpasses müssen gleichzeitig mehr einspeisen. Das sind beispielsweise Steinkohle- und Gaskraftwerke in Süddeutschland. In Deutschland betrugen die Redispatch-Kosten laut Bundesnetzagentur (externer Link) 2023 rund drei Milliarden Euro. Unterm Strich könnten die Strompreise daher sogar sinken.
Tatsächlich zahlen Haushalte schon heute unterschiedlich viel für ihren Strom. Grund sind die Netzendgelte, die von Bundesland zu Bundesland variieren. (mit dpa)
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