Warum um alles in der Welt haben die Amerikaner Trump erneut gewählt? Und was könnte der Hebel sein, um den US-Präsidenten endlich einzuhegen? Diesen und weiteren Fragen unseres Chefredakteurs Peter Müller und der stellvertretenden Ressortleiterin Politik, Margit Hufnagel, hat sich am Montagabend der frühere CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg gestellt. Rund 300 Interessierte waren im ausverkauften „Kleinen Goldenen Saal“ in der Augsburger Innenstadt dabei und begrüßten den ehemaligen Verteidigungsminister mit wohlwollendem Beifall.
Guttenberg war ein politischer Senkrechtstarter: ab 2009 erst Bundeswirtschaftsminister, anschließend Bundesverteidigungsminister, bevor er 2011 über eine Plagiatsaffäre stolperte. Da der 53-Jährige daraufhin lange in den Vereinigten Staaten gelebt und gearbeitet hatte, kennt er die amerikanischen Befindlichkeiten nur zu gut. Er betrachtet die drei Monate Amtszeit von US-Präsident Donald Trump aus einem eigenen Blickwinkel. Eine sich überschlagende Nachrichtenlage, an der Guttenberg jedoch etwas anderes verwundert: „Ich bin immer wieder überrascht, wie viele von ihm überrascht sind.“ So seien die größten Schockelemente der letzten Monate – mal schmeißt Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus, mal will er Grönland kaufen, mal erhöht er die Zölle für alle Handelspartner weltweit – angekündigt gewesen. Und das teilweise schon in seiner ersten Amtszeit. Wiederholt sich etwa die Geschichte?
Guttenberg sieht hinter Trump viele intellektuelle Köpfe mit eigenen Plänen
Nicht unbedingt. Trump 2.0 ist überlegter, härter und abgebrühter als 2017. So ging er erst einmal zum Golfen, nachdem er den „größten zollpolitischen Schock für die Weltökonomie der letzten 100 Jahre“ angekündigt hatte, wie Ökonomen den Tag bezeichnen. Hat der US-Präsident im eher negativen Sinne dazugelernt? „Bei Trump einen tiefen intellektuellen Plan zu vermuten, ist verwegen. Aber: Hinter Trump stehen viele intellektuelle Köpfe“, sagte Guttenberg. Liberale Köpfe, einflussreiche Techmilliardäre, Männer mit eigenen Plänen wie Milliardär und Investor Peter Thiel. „Und das ist die größere Gefahr hinter dem Ganzen, denn in diesem Sinne ist Trump so etwas wie der nützliche Idiot.“

Vielleicht ein nützlicher Idiot, aber mit viel Charisma, so Guttenberg: „Das merken wir an uns selbst, wie schwer es ist, sich diesem Charakter zu entziehen.“ Einen gewissen Unterhaltungswert besitze der amerikanische Präsident gleichzeitig auch. „Irgendwann wird er auf seine Krawatte treten, wenn er aufsteht“, scherzt der 53-Jährige. Guttenberg selbst tritt locker mit Jackett und beigefarbener Hose auf. Einen gut sitzenden Anzug würde er Friedrich Merz dennoch empfehlen, wenn er Trump demnächst begegnen wird. Denn: „Mit Frack kommen nur die Pinguine.“ Was Merz benötige, sei eine gewisse Geschmeidigkeit, gepaart mit einem kräftigen Selbstbewusstsein. „Und dieses Selbstbewusstsein kann Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft durchaus haben.“
Auch der Krieg in der Ukraine stand im Fokus. Die 24 Stunden, die Trump angekündigt hatte, in denen er den Konflikt lösen will, sei schlichtweg eine Illusion. „Der Konflikt wird sich noch eine Weile ziehen.“ Umso besorgter beobachtet er, wie sich der russische Präsident Wladimir Putin verhält. Guttenberg hält die Warnungen der Geheimdienste, dass Putin auch weitere Länder überfallen könnte, nicht für übertrieben. „Die Wahrscheinlichkeit ist nicht ausgeschlossen. Und das verpflichtet uns als Europäer, für unsere Sicherheit zu sorgen.“ Hier sei man an einem entscheidenden Punkt angelangt, da sich die EU nicht mehr darauf verlassen könne, dass die USA die europäische Sicherheitspolitik übernehme.

Der Rausschmiss von Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus war ein Weckruf
Ultimativer Weckruf sei der Rausschmiss von Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus gewesen. Eine inszenierte Show, wie sich Guttenberg sicher ist. Doch nicht nur das: „Das war die letzte Watschen, die Europa bekommen hat, um endlich zu verstehen, dass wir unsere Hausaufgaben selbst machen müssen.“ Seine Entscheidung, 2011 die Wehrpflicht auszusetzen, verteidigte er: „Damals war es die richtige Entscheidung, sie auszusetzen. Aber Aussetzen heißt auch, dass man sie wieder einsetzen kann.“ Denn der Begriff der Kriegstüchtigkeit, so sehr er sich anfangs auch an ihn gewöhnen musste, umfasse die derzeitige Situation treffend. „Doch keiner muss Angst haben, einfach so für zwei Jahre eingezogen zu werden.“ Den Unmut vieler junger Menschen könne er dennoch verstehen.

Gibt es trotz all dieser Belange auch etwas, was ihm Hoffnung macht? „Ich glaube, es hat diesen brutalen Moment gebraucht, um Europa zum Handeln zu bringen.“ Und dieses Momentum, dass etwas getan werden muss, gebe ihm Optimismus. Denn für Europa reiche es nicht, sich zu empören. „Wir müssen handeln.“
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