Der Druck auf die neue Regierung ist immens. Bundestag und Bundesrat haben über eine Lockerung der Schuldenbremse dafür gesorgt, dass in Zukunft unbegrenzt Geld für die Aufrüstung zur Verfügung steht. Doch Milliardeninvestitionen in neue Waffensysteme allein helfen kaum, wenn die Bundeswehr nicht genügend Soldatinnen und Soldaten hat, die damit in einen Krieg ziehen könnten. Vor diesem Hintergrund werden die Rufe nach einer Rückkehr zur alten Wehrpflicht vor allem in der Union lauter. Doch mittlerweile scheint klar zu sein, dass es eine Wiedereinführung des 2011 ausgesetzten Zwangsdienstes nicht geben wird. Das Thema belastet die laufenden Koalitionsverhandlungen.
Unions-Politiker wie der CSU-Vorsitzende Markus Söder favorisieren die Anwendung in der alten Form, die einen Zwang nur für Männer vorsieht. Es wäre der vermeintlich leichteste Weg, denn für eine Wiedereinsetzung bräuchte es im Bundestag lediglich eine einfache Mehrheit. Die mutmaßlich neue Regierungskoalition aus Union und SPD könnte sie aufbringen. Theoretisch zumindest. Denn der Widerstand in der SPD nimmt zu.
Viele finden Pistorius-Modell gut
„Ich halte das von Boris Pistorius geplante Modell einer Dienstpflicht, die auf Freiwilligkeit beruht, für deutlich effektiver als eine Wiedereinführung der Wehrpflicht“, sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Christoph Schmid unserer Redaktion und ergänzte: „Um eine wirklich gerechte Pflicht umzusetzen, fehlen uns sowohl Unterkünfte als auch Ausbildungsmöglichkeiten.“ Pistorius (SPD) hatte bereits einen Gesetzentwurf für eine „Neue Wehrpflicht“ erarbeitet, doch der wurde aufgrund der vorgezogenen Neuwahl nicht mehr verabschiedet. Ob das Modell in der neuen Regierung eine Chance hat, ist Gegenstand der laufenden Koalitionsgespräche.
Das Pistorius-Modell käme ebenfalls ohne Grundgesetzänderung aus. Das sähe bei der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht beziehungsweise eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres, wie es der CDU vorschwebt, anders aus. Die neue Regierung müsste dafür das Grundgesetz ändern, was nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geht. Im neuen Bundestag gibt es die aber nur, wenn AfD oder Linke zustimmen, und da wird es schwierig. Die Linke steht einer Dienstpflicht ablehnend gegenüber. Die AfD ist grundsätzlich für eine „gesellschaftliche Pflicht“, die über die Wehrpflicht hinausgeht. CDU-Chef Friedrich Merz hätte damit allerdings erneut eine Debatte über die AfD als Mehrheitsbeschafferin am Hals.
Wo ist die gesellschaftliche Debatte?
Die Grünen-Verteidigungsexpertin sich Sara Nanni sprach sich für das Pistorius-Modell aus. „Die Bundeswehr und die Gesellschaft sollte jetzt nicht mit einem neuen allgemeinen Wehrdienst gelähmt werden, der am Ende für die Truppe wenig bringt“, sagte sie unserer Redaktion. Der bisherige Plan von Pistorius, allen jungen Menschen ein attraktives Angebot für einen Dienst zu machen, sollte stattdessen rasch umgesetzt werden. „Wenn das Innenministerium und die Länder auch noch mitmachen, könnte man sogar Angebote in allen Bereichen der Gesamtverteidigung in der Ansprache der jungen Menschen bündeln“, erklärte Nanni.
Ohnehin scheint die Frage eines Zwangs zu Kriegseinsätzen nicht nur eine von Mehrheiten im Parlament zu sein. In den Kirchen beispielsweise nimmt die Debatte über eine Kriegsdienstverweigerung wieder an Fahrt auf. Der SPD-Politiker Schmidt mahnte, dass „in der Gesellschaft wieder eine breite Debatte über den Wert unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den Schutz unserer wehrhaften Demokratie vor inneren und äußeren Feinden stattfinden“ sollte. Aufmacher: Debatte um die Wehrpflicht
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