Ins Lehrbuch für politische Krisenkommunikation wird die geplatzte Wahl von drei Verfassungsrichtern an diesem Freitag nicht eingehen – es sei denn, als abschreckendes Beispiel. In einer Melange aus Selbstüberschätzung (SPD) und fehlendem Fingerspitzengefühl (Union) haben die Koalitionsparteien das höchste deutsche Gericht zum Spielball von Parteiinteressen gemacht und sich dabei auch selbst nach Kräften blamiert. Das wird noch lange nachwirken und Friedrich Merz das Regieren nicht einfacher machen.

Brosius-Gersdorf ist eine Kandidatin, die polarisiert
Den ersten, entscheidenden Fehler haben die Sozialdemokraten begangen, indem sie eine Kandidatin für Karlsruhe nominiert haben, die in Haltung wie im Ton derart polarisiert, dass ihre Wahl für weite Teile der Union eine Zumutung gewesen wäre, vor allem wegen ihres Eintretens für ein entgrenztes Abtreibungsrecht, bei dem die Würde des Menschen nicht schon im Mutterleib, sondern erst nach der Geburt beginnt. Merz und Fraktionschef Jens Spahn wiederum haben unterschätzt, was sie ihren Abgeordneten zumuten, wenn sie um des Koalitionsfriedens willen auf der Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf bestehen. Dass sie es bis Donnerstagabend trotzdem taten, war eine grandiose strategische Fehlleistung. Ein umsichtiger Fraktionschef und ein Kanzler, der ein Gefühl für die Stimmungslage in seiner Partei hat, suchen rechtzeitig vorher das Gespräch mit dem Koalitionspartner. So aber hat nicht nur der Ruf des Bundesverfassungsgerichtes gelitten, sondern auch die Autorität der beiden Unionsfürsten und die von CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann gleich mit.
Mit dem Eklat vom Freitag beginnt das Besetzungsverfahren nun wieder bei Null. Das ist, einerseits, peinlich für alle Beteiligten, andererseits auch eine Chance, die Fehler aus dem ersten Anlauf nicht noch einmal zu wiederholen, sondern drei Kandidaten für Karlsruhe zu finden, die fest in der politischen Mitte zuhause und weit ins jeweils andere Lager hinein vermittelbar sind.
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