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Kulturstaatsminister Weimer: Ein Signal gegen woke Kulturpolitik

Neuer Kulturstaatsminister

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer: Warum die Personalie Zündstoff birgt

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    Wolfram Weimer soll Nachfolger von Claudia Roth (Grüne) werden.
    Wolfram Weimer soll Nachfolger von Claudia Roth (Grüne) werden. Foto: Thomas Banneyer, dpa

    Mit vielem war zu rechnen, aber nicht damit: Der Journalist und Verleger Wolfram Weimer wird neuer Kulturstaatsminister der künftigen Regierung von Friedrich Merz. Ein Paukenschlag, nicht nur, weil den Namen Weimers niemand auf dem Zettel hatte, sondern auch, weil mit ihm, der parteilos ist, wohl eine deutliche Abkehr von der bisherigen Kulturpolitik Claudia Roths zu erwarten ist. Der 60-Jährige gilt als sehr wertkonservativ, seine Berufung wirkt wie ein Signal an all diejenigen, denen die Kulturpolitik seiner den Grünen angehörenden Vorgängerin als zu „woke“ ausgerichtet war.

    Claudia Roth
    Claudia Roth Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Der Überraschungseffekt dieser Personalie ist auch deshalb so groß, weil Wolfram Weimer bisher nicht als ausgewiesener Kenner von Kunst und Kultur hervorgetreten ist. Während der Koalitionsverhandlungen waren es der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU), der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD) und die Kulturexpertin der CDU, Christiane Schenderlein, deren Namen für das Amt gehandelt wurden – alle drei bisher schon in der Kulturpolitik bewandert. Schenderlein zieht nun zwar ins Kanzleramt ein, wo auch das Kulturstaatsministerium als Abteilung beheimatet ist, aber als Staatsministerin für Sport und Ehrenamt.

    Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer ist Journalist und Verleger

    Wolfram Weimer, der sich selbst als „Kulturfreund“ bezeichnet, arbeitete zunächst als Journalist mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Er war Chefredakteur der Welt, der Berliner Morgenpost, des Focus und des von ihm gegründeten Essay-Magazins Cicero. 2012 gründete er zusammen mit seiner Frau den Verlag Weimer Media Group, der Publikationen wie den Wirtschaftskurier und das Satiremagazin Pardon herausgibt. Kulturpolitisch ist Weimer bisher nicht in Erscheinung getreten, auch ist er nicht Mitglied des Deutschen Bundestages. „Er wird also“, so eine erste Stellungnahme des Deutschen Kulturrates, „auf die gute Zusammenarbeit mit den anderen Ministerinnen und Ministern sowie bei den Haushaltsverhandlungen auf die Abgeordneten des Deutschen Bundestags angewiesen sein.“ Vorgänger Weimers, die wie der Philosoph Julian Nida-Rümelin oder die Journalistin Christina Weiss, ebenfalls nicht dem Politikbetrieb entstammten, hatten vor ihrer Tätigkeit auf Bundesebene bereits die Kulturreferate zweier Großstädte (München und Hamburg) geleitet.

    Der neue Arbeitsamt des designierten Staatsminister für Kultur und Medien ist das Berliner Kanzleramt.
    Der neue Arbeitsamt des designierten Staatsminister für Kultur und Medien ist das Berliner Kanzleramt. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Eine Herausforderung für den Polit-Neuling Weimer dürfte auch die Leitung einer Behörde sein, die zwar dem Kanzleramt untergeordnet ist, dennoch aber über einen Etat von 2,2 Milliarden Euro verfügt und mit der Kunst- und Kulturförderung, dem Denkmalschutz, der Filmwirtschaft und den Medien über eine Vielfalt von Zuständigkeiten verfügt. Möglicherweise deutet die Berufung Weimers aber auch darauf hin, dass Friedrich Merz dem Amt mit dem Publizisten und Medienmanager eine deutlichere Profilierung im Hinblick auf die Medienpolitik geben möchte.

    Weimer könnte der Politik der neuen Regierung ein geistig-moralisches Leitbild geben

    Dass Weimer sich in Belangen von Kunst und Kultur bislang nicht nur nicht hervorgetan hat, sondern sogar eher mit „unverständigen und undurchdachten Mitteilungen“ aufgefallen ist, beklagt Jürgen Kaube in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Blick auf dessen „Konservatives Manifest“ aus dem Jahr 2018. Wolfram Weimer, so Kaube, „macht sich demographische Sorgen um die´Fortdauer des eigenen Bluts´und die ,biologische Selbstaufgabe´Europas, trauert der Kolonialepoche mit der bedauernden Formulierung nach, Europa habe ,keine Expansionskraft´ mehr und behauptet, unsere Mythen, Metaphern und Architektur rekurrierten ,immer auf die jüdisch-christliche Religion´, was immer das für eine Religion sein soll.“ Für Kaube ist der Fall klar, „dass er der falsche Mann am falschen Platz“ ist. Schon ist von einem „offensiven konservativen Kulturkampf“ (Cicero) zu lesen, den Weimer in seinem neuen Amt führen könnte und dem übergeordneten geistig-moralischen Leitbild, das er der auf Pragmatismus ausgerichteten Regierungspolitik von Friedrich Merz geben könnte. Es könnte von einer Hinwendung zu mehr Religiosität, Bürgerlichkeit und einem klassischen Bildungs-Kanon geprägt sein.

    Immer wieder ist der 60-Jährige, der wie sein künftiger Chef am 11. November Geburtstag hat, ebenfalls über 1,90 Meter groß ist und am Tegernsee lebt (wo Friedrich Merz bekanntlich ein Ferienhaus besitzt), mit streitbaren Formulierungen hervorgetreten. Häufig ist er Gast in politischen Gesprächsrunden und Talkshows, in denen er Politik und Zeitgeschehen kommentiert. „Was als geistiger Karneval der Kulturen begann, ist inzwischen ein Halloween der Entfremdung“, urteilte er in einem Artikel über die „Multi-Kulti-Lüge“. Und in seinem letzten Buch „Sehnsucht nach Gott“ aus dem Jahr 2021 steht der Satz: „Die Tendenz, die eigene kulturelle Tradition durch einen Hyper-Pluralismus zu zerstören, ist erkennbar.“ Einer Kulturszene, für die Vielfalt und die Integration multikultureller Einflüsse in der Gesellschaft nicht erst mit der Amtszeit von Claudia Roth zu einem wichtigen Anliegen wurden, schlagen damit neue Töne entgegen. Allein die Berliner Zeitung findet bis jetzt zu einer positiven Einschätzung der Personalie: „Selbst Linksintellektuelle können wohl kaum behaupten, dass die Amtszeit von Claudia Roth ein Erfolg war. Weimer soll den Kulturbetrieb nach den Vorfällen, die es besonders rund um das Thema Antisemitismus gab, befrieden. Dafür bringt Weimer einige Qualifikationen mit: Er ist weltgewandt, belesen, er hat Humor.“

    Welche Rolle spielen Kunst und Kultur in der neuen Regierung?

    Friedrich Merz leitet mit dieser Berufung also erkennbar eine Wende in der Kulturpolitik ein, hin zu einem traditionelleren und konservativeren Kulturverständnis als dies in den letzten Jahren, auch unter der als liberal geltenden CDU-Frau Monika Grütters, der Fall war. Nur spekulieren kann man hingegen darüber, ob diese überraschende Besetzung auch Auskunft darüber gibt, welche Rolle Kunst und Kultur in der Regierung Merz überhaupt spielen werden. Das Papier, das den Leitfaden dafür ausgibt, der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, ist in dieser Hinsicht jedenfalls wenig aussagekräftig. Auf vier Seiten bleibt es bei Allgemeinplätzen. In der Hand des kommenden Mannes im Staatsministerium für Kultur und Medien liegt es nun, diese zu gestalten.

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