Während die SPD noch auf das Ergebnis ihres Mitgliederentscheides wartet, schafft die Union bereits Fakten. CDU und CSU haben bereits entschieden, wer in der neuen Bundesregierung Ministerin, Minister oder Staatssekretär werden soll.
Äußeres: Johann Wadephul

Der 62-jährige Jurist aus Schleswig-Holstein wird Deutschlands Gesicht in der Welt sein. Nach außen bislang wenig bekannt, in der Union aber als Fachpolitiker geschätzt. Als hätte er es geahnt, dass er Minister werden könnte, hat Wadephul in den vergangenen Wochen bereits seine Kollegen in Frankreich, Polen, Italien und Großbritannien besucht. Er ist der erste Außenminister seit fast 60 Jahren, den die Union stellt. Der Letzte war Gerhard Schröder im Kabinett von Ludwig Erhard, nicht zu verwechseln mit dem späteren Kanzler. Anfang des Jahres wurde Wadephul Opfer eines Fake-Anrufes: Er ging davon aus, Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Telefon zu haben – tatsächlich waren es zwei Komiker, denen er wortreich erklärte, die Ukraine könne nicht damit rechnen, die begehrten Marschflugkörper vom Typ Taurus aus Deutschland vor Mai zu erhalten.
Inneres: Alexander Dobrindt

Nach Markus Söder der mächtigste Mann in der CSU. Der 54-Jährige aus dem oberbayerischen Peißenberg soll für die Union nicht weniger als die Asylwende organisieren, die Grenzen schützen und die Migration nach Deutschland besser steuern. Dafür brauche es „den härtesten Profi“, sagt Söder. Als Verkehrsminister unter Angela Merkel noch belächelt und wegen des Maut-Debakels in der Kritik, ist der studierte Soziologe inzwischen der gewiefteste Taktiker der Christsozialen. Niemand in seiner Partei, auch Söder nicht, denkt so strategisch wie Dobrindt, der vor der Wahl noch überlegt hatte, ob er nicht einfach Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Berlin bleiben sollte – ein Amt, das ihm in der Koalition Macht und Mitsprache bei allen Themen sichert. In dem Moment, in dem das Innenministerium an die bayerische Schwesterpartei fiel, war allerdings schnell klar: Das macht Dobrindt.
Wirtschaft: Katherina Reiche

Die erste Frau im Wirtschaftsministerium kommt direkt aus der Wirtschaft. Die 51-Jährige, gebürtige Brandenburgerin und von Beruf Chemikerin, ist seit Anfang 2020 Chefin der Westenergie GmbH, einer Tochtergesellschaft des Energieriesen E.ON. Von 1998 bis 2015 saß sie bereits für die CDU im Bundestag. Sie war stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union und Staatssekretärin im Umwelt- und im Verkehrsministerium, ehe sie 2015 als Hauptgeschäftsführerin zum Verband der kommunalen Unternehmen wechselte. Privat ist die Mutter von drei Kindern mit einem ihrer Vorgänger im Amt liiert - Karl-Theodor zu Guttenberg. Das bestätigte ihr Anwalt am Montag kurz nach ihrer Ernennung.
Familie und Bildung: Karin Prien

Eine der Frontfrauen des progressiven Flügels der CDU. Als Bildungsministerin Schleswig-Holsteins vom Fach, eloquent, streitbar und auch innerparteiliche Konflikte nicht scheuend. Geboren und aufgewachsen ist sie in den Niederlanden, später zog ihre Familie nach Rheinland-Pfalz um. Die Urenkelin eines jüdischen Kaufmannes aus Düsseldorf sagt von sich selbst, sie sei zwar jüdischer Herkunft, aber nicht religiös. Seit drei Jahren ist die Mutter von drei Kindern auch stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU und im Drittberuf noch Vorsitzende des Jüdischen Forums der CDU. Streit, sagt sie, schärfe das Argument. Heißt für sie: „Wir müssen besser streiten lernen in unserer Gesellschaft.“
Landwirtschaft: Alois Rainer

Auf den grünen Vegetarier Cem Özdemir folgt ein schwarzer Metzger. Alois Rainer gehört der möglicherweise politischsten Familie in Deutschland an. Schon sein Vater Alois war Bundesabgeordneter, seine Schwester Gerda Hasselfeldt Bau- und Umweltministerin, Bundestagsvizepräsidentin und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe. Rainer selbst, der Metzger gelernt, seine Meisterprüfung abgelegt und dann den elterlichen Betrieb im niederbayerischen Haibach übernommen hat, sitzt seit 2013 im Bundestag, in der abgelaufenen Wahlperiode war der 60-jährige Vorsitzender des Finanzausschusses. „.Ich habe drei Vorbilder in der Politik“, hat er im Gespräch mit unserer Redaktion einmal gesagt, „unseren Vater, Franz Josef Strauß und die Gerda.“
Gesundheit: Nina Warken

Eine der vielen Überraschungen im neuen Kabinett. Wie Reiche und Prien ist auch die gelernte Rechtsanwältin aus Baden-Württemberg dreifache Mutter. Im Bundestag hat sie sich bisher vor allem mit der Innenpolitik und heiklen Themen wie der Wahlrechtsreform und der inneren Sicherheit beschäftigt, zuletzt als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Ein Parteifreund, der sie gut und lange kennt, beschreibt sie als „ziemlich tough und durchsetzungsfähig.“ Seit zwei Jahren ist sie auch Generalsekretärin der Südwest-CDU und eine Vertraute des Landesvorsitzenden Manuel Hagel, der im nächsten Jahr neuer Ministerpräsident werden will.

Verkehr: Patrick Schnieder

Patrick wer? Der 56-Jährige sitzt zwar bereits seit 2009 im Bundestag, ist bundesweit aber bisher nicht größer in Erscheinung getreten. Aufgewachsen in der Vulkaneifel trat er bereits mit 16 Jahren in die Junge Union ein, studierte Jura, arbeitete in einer Kanzlei und wurde 1999 schließlich Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Arztfeld. Zuletzt war Schnieder Vorsitzender der rheinland-pfälzischen Landesgruppe der CDU im Bundestag und einer der parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Als Minister wird er für einen Großteil der Infrastruktur-Milliarden verantwortlich sein. Schattenminister war er schon einmal - 2016 im Wahlkampf von Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz.
Digitales: Karsten Wildberger

Noch so eine Überraschung aus dem Hause Merz. Der Vorstandsvorsitzende der Ceconomy AG und Geschäftsführer der Media-Markt-Saturn-Gruppe übernimmt das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung als einer der seltenen Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft. Wildberger hat als Unternehmensberater gearbeitet und in verschiedenen Führungspositionen für die Deutsche Telekom, er war Vorstandsmitglied bei Vodafone Rumänien und Großbritannien und anschließend Vorstandsmitglied eines australischen Telekommunikationskonzerns. Studiert hat der 55-jährige aus Gießen Physik und darin 1997 auch promoviert. Nun sagt er: „Digitalisierung und Technologie waren prägende Themen meiner beruflichen Laufbahn, und das neue Ministerium wird eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung unseres Landes spielen.“ Finanziell wird er sich allerdings deutlich verschlechtern. Bisheriges Jahresgehalt: Knapp drei Millionen Euro.

Forschung und Raumfahrt: Dorothee Bär

Die 47-jährige Unterfränkin war unter Angela Merkel bereits Digital-Staatsministerin sowie Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Ihre Berufung kommt nicht überraschend, eher schon das Ressort, das sie übernimmt. In den Koalitionsverhandlungen hatte sie bereits zum engsten CSU-Verhandlungsteam gehört. Der Titel der Stimmenkönigin bei der letzten Bundestagswahl hat allerdings ein Geschmäckle: Die dreifache Mutter und bekennende Social-Media-Aktivistin hatte in ihrem Wahlkreis keinen Gegenkandidaten von der AfD. Ihr Ehemann ist seit 2014 Landrat im Landkreis Hof.
Kanzleramt: Thorsten Frei

Dass der vielleicht engste Vertraute von Friedrich Merz Chef des Kanzleramtes wird, folgt einer gewissen Logik. Der 51-jährige Jurist, dessen politische Laufbahn einst als Bürgermeisterin Donaueschingen begonnen hat, war schon als parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion quasi die rechte Hand von Merz und in den Talkshows ein gefragter Merz-Erklärer. Wurde zeitweise auch als Fraktionschef und als möglicher Innenminister gehandelt. Dem Bundestag gehört er seit 2013 an, in der Südwest-CDU ist er stellvertretender Landesvorsitzender.
Weitere Personalien
Neben den Ministerämtern gibt es noch zahlreiche weitere Posten zu vergeben. Ein erster Überblick:
- Kulturstaatsminister soll der Publizist Wolfram Weimer werden. Er ist damit designierter Nachfolger der Grünen-Politikerin Claudia Roth. Weimer ist nicht Mitglied der CDU, gilt aber als CDU-nah.
- Fraktionschef der Union wird der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn.
- Chef der CSU-Landesgruppe soll Alexander Hoffmann werden. Der 50 Jahre alte Unterfranke, seit gut einem Jahr parlamentarischer Geschäftsführer der Landesgruppe, soll auf Alexander Dobrindt folgen. Das Amt des parlamentarischen Geschäftsführers soll der 47 Jahre alte Reinhard Brandl aus Ingolstadt übernehmen.
- Der Nördlinger CSU-Abgeordnete Ulrich Lange (55) wird Staatssekretär im Verkehrsministerium. Er ist damit der einzige Vertreter Bayerisch-Schwabens im Kabinett.
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