Mit ihren neuen Ministerinnen und Ministern beweist die SPD Mut. Altgediente, aber teils auch verbrauchte Kräfte wie Hubertus Heil, Nancy Faeser und Svenja Schulze sind nicht mehr dabei, dafür eine Menge neue Gesichter. Was auffällt im Personal-Tableau der Sozialdemokraten: An der Parteispitze wird mit zweierlei Maß gemessen. Lars Klingbeil bekommt nicht nur den mächtigen Posten als Bundesfinanzminister, obwohl er bislang nicht gerade als versierter Haushaltspolitiker aufgefallen war, sondern soll auch Vizekanzler werden. Seine Co-Chefin Saskia Esken geht nicht nur leer aus, sondern wird seit Wochen von den eigenen Leuten gedemütigt. Ja, die 63-Jährige hat selbst eine Menge dazu beigetragen, dass ihr Standing gelitten hat. Aber der Umgang der SPD mit Esken ist unwürdig.
Friedrich Merz ließ Saskia Esken links liegen
Schon in den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD hatte Esken wie das fünfte Rad am Wagen gewirkt. Die Männerriege um den künftigen Friedrich Merz hatte ihr nur eine Nebenrolle zugedacht, ließ sie einfach links liegen. Hinter den Kulissen hatte da längst auch intern die Demontage der Parteivorsitzenden begonnen. Sie wurde zum Sündenbock für den Absturz der SPD in den Ampel-Jahren. Sich an Olaf Scholz abzuarbeiten, lohnte sich nicht mehr, weil der Kanzler ohnehin schon im politischen Abklingbecken saß, sprich: eine Anschlussverwendung für den gescheiterten Regierungschef im neuen Kabinett als ausgeschlossen galt. Also schoss man sich auf Esken ein. Obwohl die SPD bekanntlich von einer Doppelspitze geführt wird.
Wer es gut meint mit dem künftigen Vizekanzler Klingbeil, kann sagen, dass er strategisch cleverer agiert hat als Esken. Unmittelbar nach der verlorenen Bundestagswahl sicherte er sich prophylaktisch den Posten des SPD-Fraktionschefs, der durch den Rückzug von Rolf Mützenich freigeworden war. Das Signal an die eigenen Leute, aber auch an die potenziellen Koalitionspartner in der Union war klar: Ich gebe weiterhin den Ton in Partei und Fraktion an. Wer mit der SPD regieren will, kommt an mir nicht vorbei! Wer es nicht so gut meint mit Klingbeil, könnte auch sagen, da hat einer unmittelbar nach einem selbst mitverschuldeten Wahldesaster als Allererstes die Frage gestellt, was aus ihm selbst wird.

Esken ging den unbequemen Weg und landete in der Sackgasse
Saskia Esken wurde davon kalt erwischt. Das kann man nun naiv finden, oder andersherum sagen: Womöglich ging es ihr eben nicht allein um ihr eigenes Schicksal. Ob Esken als Parteichefin weitermachen kann, ist nach der öffentlichen Demontage mehr als fragwürdig. In den Koalitionsverhandlungen hatte sie sich keine Freunde gemacht. „Ich verspreche, dass ich nerve“, hatte sie als Parole ausgegeben - und dieses Versprechen eingelöst. Für Klingbeil war es umso leichter, in den Gesprächen mit Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder den pragmatischen Vermittler zu geben, mit dem es sich einfacher regieren lässt. Er ging den bequemen Weg, Esken den unbequemen. Eine Regierung darf aber nicht nur aus bequemen Politikerinnen und Politikern bestehen.
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