Eine Woche nach seiner Wahl zum Bundeskanzler hat Friedrich Merz in der ersten Regierungserklärung versucht, Aufbruchstimmung zu vermitteln. „Wir können alle Herausforderungen, ganz gleich wie groß sie auch sein mögen, aus eigener Kraft heraus bewältigen. Es liegt nicht an externen Einflüssen oder Ereignissen, es liegt nur an uns selbst“, sagte der CDU-Chef am Mittwoch im Bundestag. Er forderte die Bürgerinnen und Bürger zu einem gemeinsamen Kraftakt auf: „Der Staat, das sind wir alle, jeder einzelne und alle zusammen als Gemeinschaft.“
Neben der Wirtschaftspolitik prägten vor allem der Angriff Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen die erste Grundsatzrede des 69-Jährigen. „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“, sagte Merz. Seine Bundesregierung werde alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, „die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“.
Regierungserklärung: Merz sieht Deutschland nicht als Kriegspartei
Wie schon sein Vorgänger Olaf Scholz (SPD) betonte auch der neue Kanzler, Deutschland sei keine Kriegspartei und werde auch keine werden, er stellte aber klar: „Wir sind eben auch nicht unbeteiligte Dritte oder neutrale Vermittler, sozusagen zwischen den Fronten. Es darf kein Zweifel daran aufkommen, wo wir stehen.“ Als Ziel nannte Merz ein Deutschland und ein Europa, die gemeinsam so stark seien, dass „wir unsere Waffen niemals einsetzen müssen“. Er kündigte an, in Nato und EU mehr Verantwortung zu übernehmen.
Für Merz steht fest, dass der Ausgang des Krieges in der Ukraine ganz unmittelbar darüber entscheiden wird, „ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa und der Welt – oder Tyrannei, militärische Gewalt und das nackte Recht des Stärkeren.“ Die Europäer müssten deshalb mehr zusammenstehen denn je. „Europa erwartet etwas von uns. Die neue Bundesregierung nimmt diese Verantwortung an.“ Seine ersten Reisen hatten den CDU-Politiker nicht nur nach Paris, Warschau und Brüssel geführt, sondern auch in die Ukraine. Gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Polen wollte der Bundeskanzler dort ein Zeichen der Entschlossenheit setzen.
So will Kanzler Merz die Konjunktur wieder ankurbeln
Innenpolitisch sieht Merz als wichtigste Aufgabe, die Konjunktur nach drei Jahren des Stillstandes wieder anzukurbeln. „Wir wollen investieren und reformieren. Auch in der Wirtschaftspolitik bin ich der Überzeugung: Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut“, sagte er. Mit Blick auf das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastruktur versprach der Regierungschef: „Wir müssen mit diesen Möglichkeiten äußerst behutsam umgehen. Sie lassen sich nur rechtfertigen, wenn wir mit diesem Geld dauerhaft und nachhaltig den Wert unserer Infrastruktur steigern.“
Der Wirtschaft will er schnell durch eine Reduzierung der Energiepreise – unter anderem durch eine Senkung der Stromsteuer – sowie einen „beherzten Rückbau der überbordenden Bürokratie“ helfen. Außerdem setzt er sich auf EU-Ebene dafür ein, „so viele neue Handelsabkommen wie möglich abzuschließen“.
Das Wahlkampfthema Nummer Eins bildete in der Regierungserklärung den Abschluss: „Wir ordnen Migration – mit mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen, mehr Steuerung, mehr Rückführungen“, kündigte Merz an und versicherte zugleich, keine nationalen Alleingänge zu machen.
Harte Kritik von der Opposition nach der Regierungserklärung
Oppositionsführerin Alice Weidel (AfD) kritisierte Merz anschließend hart und nannte ihn einen „Kanzler der zweiten Wahl.“ Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge wünschte Merz Erfolg, sagte aber auch, seine Politik der vergangenen Jahre habe an vielen Stellen verbrannte Erde hinterlassen.
Der neue Kanzler nutzte die Regierungserklärung, um seinem Vorgänger Scholz zu danken. Dessen Regierung habe Deutschland durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt. „Ihre Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war wegweisend und sie war historisch“, sagte Merz direkt an den Altkanzler gerichtet, der nun als einfacher Abgeordneter in der zweiten Reihe der SPD-Fraktion sitzt.
Merz erteilte gesetzlichen Vorgaben für die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro eine Absage. Die Koalition habe vereinbart, an der unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten, sagte der CDU-Politiker in seiner Regierungserklärung. Und man halte einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 angesichts der Tarifentwicklung für erreichbar und wünschbar. „Aber wir werden ihn nicht gesetzlich festschreiben“, betonte Merz.
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