Die iranische Millionenmetropole Teheran gleicht an diesem fünften Kriegstag einer Geisterstadt. In der Hauptstadt am Fuß des Albors-Gebirges herrschen Anspannung, Hoffnungslosigkeit und Angst. Viele Bewohner sind inzwischen geflohen – in den Norden ans Kaspische Meer, in kleinere Städte auf dem Land oder in Richtung der Grenzen. Auf den Straßen der sonst pulsierenden Metropole herrscht vielerorts Stille. Supermärkte haben teilweise noch geöffnet, sind aber fast leergekauft. Es kommt zu Stromausfällen, die Wasserversorgung ist unterbrochen, Restaurants bleiben geschlossen. Die Klimaanlagen sind vielerorts ausgefallen – und das bei Temperaturen über 35 Grad.
Zugleich stecken viele Menschen in Teheran fest oder haben sich bewusst entschieden, zu bleiben. „Die meisten Wohnungen sind leer“, sagt Ramin (34), der ein kleines Geschäft im Basar führt. Seine Eltern hat er aufs Land geschickt. „Ich bin geblieben, um auf das Haus aufzupassen.“ Am Telefon sagt er: „Ich habe ein seltsames Gefühl, weder froh noch traurig. Ich bin mit dem Regime unzufrieden, aber ich will auch keinen Krieg.“ Die Blicke gehen nicht nur nach Israel in diesen Tagen, sondern vor allem nach Washington.
Donald Trumps Linie im Konflikt zwischen Israel und dem Iran ist unklar
Donald Trump hat dunkle Ringe unter den Augen, als er gegen Mitternacht kurz bei den mitreisenden Journalisten in der Air Force One vorbeischaut. Ein langer Tag und eine überstürzte Abreise vom G-7-Gipfel in Kanada liegen hinter dem Präsidenten. Ob er Chancen für eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran sehe, will eine Korrespondentin wissen. „Ich habe nie gesagt, dass wir einen Waffenstillstand anstreben“, kontert Trump. Tatsächlich wolle er etwas Besseres: „Ein Ende. Ein vollständiges Aufgeben.“
Es ist eine jener kryptischen und widersprüchlichen Bemerkungen zur amerikanischen Position im israelisch-iranischen Krieg, wie sie Trump derzeit quasi im Minutentakt macht. Wenige Stunden zuvor hat er am Rande des Gipfels in Kananaskis noch erklärt, der Iran sitze „praktisch schon am Verhandlungstisch“. Die Mullahs wollten „einen Deal machen“. Kurz darauf fordert er auf seiner Online-Plattform die Bewohner von Teheran zur Evakuierung auf.
Als Trump am frühen amerikanischen Dienstagmorgen in Washington landet, herrscht in der amerikanischen Hauptstadt daher Rätselraten über die nächsten Schritte. Seit dem israelischen Luftangriff auf iranische Atom- und Militäranlagen in der Nacht zum Freitag hat der Präsident die unterschiedlichsten Positionen zu dem Konflikt eingenommen. Wenige Stunden vor dem Bombardement erklärte er, er wolle nicht, dass Israel angreife. Anschließend nannte er die Attacke „exzellent“ und behauptete, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe ihn vorab eingeweiht. Gleichwohl beharrte er, Washington habe mit der Aktion „nichts zu tun“.
Nur amerikanische Bomben können die Atomanlage im Iran zerstören
Hinter der Fassade der öffentlichen Äußerungen steckt ein ernster Konflikt mit weitreichenden Folgen: Sollen die USA Israel beim Versuch der Zerstörung iranischer Atomanlagen unterstützen und damit aktiv in den Krieg eintreten oder auf eine Verhandlungslösung mit Teheran setzen? Im ersten Fall droht ein furchtbarer Flächenbrand im Nahen Osten. Im zweiten könnte ein günstiger Moment verpasst werden, den Griff des Mullah-Regimes nach der Atombombe endlich zu beenden.
Die Netanjahu-Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich militärische Unterstützung aus Washington wünscht. Es geht um die Zerstörung der Atomanlage Fordo in den Bergen südlich von Teheran, wo 80 bis 90 Meter unter der Erde Uran für die Waffenproduktion angereichert werden könnte. Nur die USA besitzen 14 Tonnen schwere GBU-57-Bomben, die Einrichtungen in dieser Tiefe zerstören könnten. Für deren Einsatz aber müssten amerikanische Piloten mit B-2-Langstreckenbombern in den iranischen Luftraum eindringen - mit unabsehbaren Folgen.
Das sind Israels Ziele im Kampf gegen den Iran
Israel schreitet unterdessen voran mit seiner Militäraktion. „Israel verfolgt drei Ziele: ein kurzfristiges, ein mittelfristiges und ein langfristiges“, sagt Danny Orbach, Militärhistoriker an der Hebräischen Universität in Jerusalem, im Gespräch mit unserer Redaktion. Das kurzfristige Ziel bestehe darin, die militärische Gefahr zu bannen, die der Iran für Israel darstellt. „Auch die ballistischen Raketen des Iran sind eine existenzielle Bedrohung: Man braucht keine Atombombe, um ein anderes Land zu zerstören.“
Schätzungen zufolge besaß der Iran zuletzt zwischen 1500 bis 2000 Raketen; bis Montagmittag hatte er rund 400 davon auf Israel abgeschossen. Orbach geht davon aus, dass dem Regime zuerst die Abschussrampen ausgehen werden. Eigenen Angaben zufolge hatte die IDF bis Montagmittag über ein Drittel davon zerstört. „Wir sehen bereits, dass die Salven aus dem Iran immer kleiner werden“, sagt Orbach. „Schon jetzt hat die israelische Luftwaffe die vollständige Lufthoheit über den Iran. Wenn das Regime keine Raketen mehr abschießen kann, wird es komplett wehrlos sein.“
Und was ist mit dem langfristigen Ziel? Seit der Islamischen Revolution 1979 predigen Irans Führer die Zerstörung des „zionistischen Gebildes“ und fördern israelfeindliche Milizen wie die Hisbollah; ein Umsturz in Teheran läge klar im israelischen Interesse. Dennoch hält Orbach es für keine gute Idee, militärisch darauf hinzuarbeiten. Selbst wenn es im Iran zu einem größeren Aufstand käme, würde eine israelische Intervention die Legitimität der Rebellen untergraben, warnt er. „Was wir aber versuchen können, ist, die Bedingungen zu schaffen, die einer Revolution förderlich wären. Wenn das Regime genügend geschwächt wird, könnte das anderen Kräften zum Aufstieg verhelfen – auch wenn wir keine Kontrolle darüber haben, wer diese Kräfte sind.“ Ein rasches Kriegsende erwartet er nicht: Er vermutet, dass die Kämpfe noch mehrere Wochen andauern werden.
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