Ajatollah Ali Chamenei sitzt im Bunker. Der 86-jährige iranische Revolutionsführer wurde nach Medienberichten bei Beginn der israelischen Angriffe in einen Schutzraum im Nordosten der Hauptstadt Teheran gebracht. Mit dabei sind enge Berater und Familienangehörige, darunter sein Sohn Moschtaba, ein möglicher Nachfolger seines Vaters im Amt des Regimechefs. Für Chamenei geht es nicht nur ums eigene Überleben, sondern auch um das der Islamischen Republik.
Chameneis 36 Jahre an der Macht sind geprägt vom Dauerkonflikt zwischen dem Iran und Israel. Der Ajatollah ließ befreundete Milizen wie die Hisbollah und die Huthis gegen den jüdischen Staat kämpfen; diese „Achse des Widerstandes“ sollte den Iran dem Ziel näherbringen, Israel und die USA aus der Region zu vertreiben. Einen direkten Krieg gegen die hochgerüsteten Gegner USA und Israel wollte der 86-Jährige dennoch stets vermeiden, er sieht in ihm eine existenzielle Bedrohung für das theokratische Herrschaftssystem. Deshalb lehnte er Vergeltungsangriffe nach amerikanischen oder israelischen Militärschlägen lange ab - „strategische Geduld“ nannte er das. Die neuen israelischen Angriffe allerdings besiegelten das endgültige Ende dieser Abwarte-Taktik.
Wie weit wird der Iran gehen in seinem Vergeltungsschlag?
Doch selbst in der neuen Situation bleibt Chamenei vorsichtig. Er muss auf der einen Seite Israel mit der geballten Macht der iranischen Raketenarsenale angreifen, weil der Iran sonst als Papiertiger dastünde. Zugleich darf er nicht so weit gehen, dass die USA in den Krieg eintreten. Das könnte den Fortbestand der Islamischen Republik gefährden, die sein Lebenswerk ist.
Im Jahr 1989 als Nachfolger des verstorbenen Staatsgründers Ajatollah Ruhollah Khomeini ins Amt des Revolutionsführers gekommen, lieferte sich Chamenei einen Machtkampf mit dem langjährigen Präsidenten und Parlamentspräsidenten Ajatollah Akbar Haschemi Rafsandschani, der Pragmatismus in der Außenpolitik und eine wirtschaftliche Öffnung des Landes forderte.
Chamenei regiert unangefochten. Im iranischen Regierungssystem können die Wähler zwar das Parlament und den Präsidenten bestimmen, doch der Revolutionsführer, der von einem Kleriker-Konklave gewählt wird, hat stets das letzte Wort. Die Revolutionsgarde, die Schutztruppe des Regimes, ist ihm direkt unterstellt. Sie schlug etwa die Protestwelle im Herbst 2022 nieder, bei der Millionen Iraner und Iranerinnen den Sturz des Regimes forderten.
Chamenei bereitet die eigene Nachfolge vor
Der 2021 gewählte Präsident Ebrahim Raisi galt lange als Chameneis Favorit für die eigene Nachfolge als Revolutionsführer, doch Raisis Tod bei einem Hubschrauberabsturz im vergangenen Jahr durchkreuzte den Plan. Dabei machen Chameneis Alter und sein Gesundheitszustand die Nachfolgefrage durchaus dringend. Schon seit 1981, als er bei einem Attentat verletzt worden ist, kann er seinen rechten Arm kaum gebrauchen. Vor elf Jahren wurde er wegen Prostata-Krebs operiert; 2022 verschwand er mehrere Wochen von der Bildfläche, was Spekulationen über eine neue Krankheit anheizte.
Moschtaba Chamenei, der zweitälteste Sohn, wird seit Raisis Tod als künftiger Revolutionsführer gehandelt. Die Islamische Republik schließt dynastische Nachfolgeregelungen zwar eigentlich aus – schließlich richtete sich die islamische Revolution von 1979 gegen die Dynastie des Schahs. Doch der 55-Jährige wird offensichtlich als Mann der Zukunft aufgebaut. So wird der jüngere Chamenei seit einigen Jahren als Ajatollah bezeichnet, obwohl er mit seiner Laufbahn als Geistlicher für diesen Rang möglicherweise nicht qualifiziert ist. Die Position des Ajatollah ist Voraussetzung für das Amt des Revolutionsführers.
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