Der zweite bundesweite Lockdown in der Corona-Pandemie hat einen Großteil des Vereinssports, allen voran den Mannschaftssport, auf Eis gelegt. Während die meisten Sportler erst von den Beschlüssen von Bund und Ländern ausgebremst wurden, ist der Bayerische Handball-Verband einige Wochen zuvor mit der Unterbrechung des Spielbetriebs vorgeprescht.
Inzwischen hat der Dachverband gar alle Ligaspiele für das Jahr 2020 ausgesetzt. „Mit der achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung wurde die Ausübung von Mannschaftssportarten untersagt“, teilte der Verband mit. „Ohne ausreichende Vorbereitung wäre ein Spielbetrieb im Dezember nicht verantwortbar. Wir haben dennoch weiterhin das Ziel, ab Januar, wenn es die Infektionslage zulässt, den Spielbetrieb 20/21 wieder aufzunehmen.“
Saison-Stopp wegen Corona: "Absolut richtiger Schritt"
Diese Entscheidung war nicht nur aus Sicht von Barbara Bruckner von der Handball-Abteilung des TV Waltenhofen ein „absolut richtiger Schritt“. Auch der sportliche Leiter des TV Immenstadt, Simon Weigl, und der zweite Abteilungsleiter des TSV Sonthofen, Laurenz Lakotta, teilen diese Ansicht. Die Entscheidung sei nicht nur mit den hohen Infektionszahlen, sondern in erster Linie mit den dadurch bedingten zahlreichen Spielausfällen begründet – für Bruckner hätte die Weiterführung des Spielbetriebs zu diesem Zeitpunkt „keinen Sinn“ gehabt.
Das Risiko für Jugendteams durch Gegner aus dem Oberallgäuer Raum sei zwar zu dem Zeitpunkt noch „überschaubar“ gewesen, die ersten Mannschaften der drei Allgäuer Clubs konnten aber lediglich einen Bruchteil der angesetzten Spiele absolvieren.
Sonthofer Kritik: Tabellen ohne Aussagekraft
Daher spricht Simon Weigl scharf von „Chaos von vorne bis hinten“, wenn er die abgebrochene Spielzeit mit einer „gewöhnlichen“ vergleicht. Jedoch gibt der TVI-Torhüter zu, dass er aus sportlicher Sicht auch „nicht böse“ über den Abbruch war. Wegen einer erforderlichen Quarantäne eines Spielers, hätten die Städtler zuletzt ohnehin nicht komplett antreten können. Laurenz Lakotta kritisiert, dass die Tabellen durch die vielen Absagen „keine Aussagekraft“ hätten und das Bild in den Ligen dementsprechend „verzerrt“ sei.
Da es aufgrund des vorzeitigen Abbruchs der vergangenen Saison auch keine Absteiger gab, „hat keiner eine echte Ahnung, auf welchem Leistungsstand er ist“, bringt Lakotta die Saison auf den Punkt. Hinzu kommt der abnormale Trainingsbetrieb. Während der TV Waltenhofen und der TV Immenstadt nach dem ersten Lockdown drei Monate bis zum ersten Hallentraining zu überbrücken hatten, waren es in Sonthofen ganze fünf Monate.
Der These, dass Corona den Handball in die Krise gestürzt hat, stimmen Bruckner, Lakotta und Weigl zwar zu, weisen aber darauf hin, dass das Problem nicht handballexklusiv ist. „Vom Eishockey über Volleyball bis zum Basketball ist es überall eine Katastrophe“, sagt Simon Weigl. Auch Lakotta gibt zu bedenken, dass die Krise den gesamten Amateur- und Breitensport betrifft.
Simon Weigl: Große Probleme im Amateurbereich
Vor allem im Grenzbereich zwischen Amateur- und Profisport sieht Weigl den größten Schaden. „Dort, wo Spieler bezahlt und laufende Kosten trotz fehlender Zuschauereinnahmen und wegfallendem Hallenverkauf gedeckt werden müssen, werden die Clubs am meisten Probleme bekommen“, prognostiziert der TVI-Torhüter. „Auch Sponsoren könnten wegbrechen.“ Während manche Vereinsexistenzen gefährdet seien, könnten bei Clubs mit kleinem Kader die zweiten Mannschaften wegfallen.
Lakotta und Weigl sind sich indes einig, dass die Zwangspause ein großes Problem für den Nachwuchsbereich darstellt. „Corona hat uns schon beim ersten Lockdown einige Jugendliche gekostet“, gesteht der sportliche Leiter des TVI. Gerade seien die „Grünen“ an einem Punkt gewesen, dass man einige in die Halle zurücklocken konnte – diese Bemühungen mache der zweite Lockdown zunichte. Auch Lakotta hat beim TSV Sonthofen festgestellt, dass „Kinder weglaufen, sich Sportarten wie Radfahren, Skateboarden, Skifahren oder Langlaufen widmen, weil diese erlaubt sind.“
Einzig Barbara Bruckner ist sicher, dass ihre Spieler dem TVW auch in der Krise „treu bleiben“. Das spricht sie dem Mannschaftsgefüge und den guten Trainern zu, die den Nachwuchs bereits im ersten Lockdown mit verschiedenen Aufgaben, die anhand von Trainingsvideos zu lösen waren, bei der Stange gehalten haben. „Wir hatten bisher keinen einzigen Abgang“, betont das Mitglied des Waltenhofer Abteilungsteams. In Bruckners Augen seinen in den schwierigen Zeiten auch die Eltern gefragt, die den Kindern vermitteln sollten, wie wichtig Mannschaftssport sei.
Im Hinblick auf ein mögliches Zukunftsmodell für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs sind die Oberallgäuer Vereine aber ratlos. Aufgrund der Infektionszahlen rechnen Bruckner, Lakotta und Weigl nicht einmal mit einer baldigen Rückkehr in die Hallen. Während Laurenz Lakotta die leise Hoffnung hat, dass sein Team im Dezember wenigstens den Trainingsbetrieb aufnehmen könnte, hoffen Bruckner und Weigl auf Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Januar.
Zumindest eine einfache Runde zu spielen, um einen Leistungsvergleich zu haben, wäre aus Bruckners Sicht „eine wichtige Perspektive“ für die Vereine. Bei einer weiteren Saison ohne Absteiger sei die „Luft raus“. Simon Weigl gibt zu, dass ihm für eine Prognose „die Fantasie fehlt“. „Wir haben keine Glaskugel“, sagt der Torhüter. „Denn was soll sich an der Pandemie-Situation in absehbarer Zeit ändern?“ Daher hält er es zwar für möglich, dass im Januar eine Einfach-Runde gespielt wird, will aber auch den schlimmsten Fall nicht ausschließen: eine Zwangspause bis Herbst 2021.
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