Über ein Eigentor ärgert sich der Verursacher selbst am meisten. Und so ging es auch Verteidiger Kevin Frisorger vom FV Illertissen, als er im Pokalspiel gegen Fortuna Düsseldorf am 13. August dieses Jahres in der dritten Spielminute den Ball ans Bein bekam und diesen zum 1:0 für den Gegner ins eigene Gehäuse beförderte. Doch am vergangenen Samstag war genau das der Grund für ein Spektakel, wie man es im Vöhlinstadion noch nie erlebt hatte: 18 Fans des englischen Traditionsclubs Manchester United – unter anderem Heimatverein des kürzlich verstorbenen Sir Bobby Charlton – standen auf der Terrasse vor dem Vereinsheim des FVI und feuerten die Heimmannschaft mit Sprechchören, rhythmischem Klatschen und Gesängen an, wie sie sonst nur in der Man-U-Heimat, dem Old Trafford, zu hören sind.
Man darf annehmen, dass die englischen Fans mit ihrem Besuch ihren Teil zum 3:1-Erfolg des FVI über die U23 des nicht minder traditionsreichen Nürnberger "Clubs" beitrugen. Doch wie kommt man in Manchester auf die Idee, ausgerechnet den Regionalligisten FV Illertissen zu besuchen? Auf Nachfrage erklärt Mark Whiteley als Sprecher der Gruppe: „Wir haben im englischen Fernsehen die Spiele der 1. DFB-Pokal-Hauptrunde verfolgt und hatten ausgemacht, dass wir zu der Mannschaft reisen, die an diesem Spieltag das erste Tor schießt. Wir rechneten alle mit Borussia Dortmund oder einem ähnlichen Team. Aber dann fiel das Eigentor in Illertissen. Und so sind wir nun am Samstagfrüh von Manchester nach München geflogen und von dort über Memmingen nach Illertissen gereist. Und jetzt freuen wir uns, hier zu sein; alles ist wunderschön, der Platz, Bayern, die Leute und das Bier!“
Besonders der bayerische Gerstensaft hatte es den britischen Fußballfans angetan, denn der Umsatz im Vereinsheim ging durch die Decke, als sich die Anhänger in zwei Gruppen aufteilten: Die einen standen mit dem Bierbecher in der Hand draußen und verfolgten das Spiel, die anderen tranken derweil im geheizten „FVI-Treff“. Wenn die Kollegen im Vereinsheim ausgetrunken und sich ein neues Bier besorgt hatten, lösten sie ihre Kameraden draußen ab und diese durften zum Aufwärmen gehen. Kein Wunder, dass die 18 Fans bis nach Spielende weitaus mehr Spektakel machten als die 430 Zuschauer auf der Tribüne – was ja angeblich ohnehin kein Problem sein soll. Schließlich sind die Männer erfahrene Fans, deren Fußballheimat Old Trafford genau 73.000 Zuschauer mehr beherbergt. Zwar sind die Man-U-Farben Rot und Gold auch die Illertisser Stadtfarben, aber die Engländer hatten sich natürlich stilgerecht im Blau-Weiß des FVI ausgerüstet.
Sofort nach ihrer Ankunft belagerten sie den FVI-Fanshop und das Ehepaar Kindermann sowie Petra Zeller, Mutter des FVI-Spielers Max Zeller, die im Verkauf mithilft. Sie hatten alle Hände voll zu tun. Mützen und Schals mit FVI-Emblem fanden reißenden Absatz und Zeller kommentierte lachend: „Nur gut, dass ich bei Hermann Schiller mal Englisch gelernt habe.“ Der frühere Englischlehrer ist heute Pressevorstand des FVI und freute sich über dieses Lob.
Doch die Gäste aus Old Trafford, die tatsächlich nur für das FVI-Spiel angereist waren, blieben nicht die einzigen internationalen Gäste: Christoph Kühnemund und ein Kumpel waren aus Düdelingen, der Heimat des luxemburgischen Fußball-Rekordmeisters, gekommen, um den FVI kicken zu sehen. Sie seien Fans des VfL Bochum, erzählte der Luxemburger, und weil Bochum am Sonntag in Heidenheim spielte, seien sie schon tags zuvor angereist und hätten beschlossen, ein Spiel unweit der Ostalb zu besuchen. Da hätten sie den FVI entdeckt.
Youtuber "Willy" kickt beim 1. FC Nürnberg II
Und als wäre das nicht schon genug an ungewöhnlichem Spektakel gewesen, gab es noch ein Ereignis, das vor allem die Fußballjugend begeisterte: Mit der Nummer 37 war bei der U23 des 1. FC Nürnberg in der zweiten Halbzeit Niklas-Wilson Sommer eingewechselt worden, der als Youtuber unter dem Pseudonym „Willy“ mit mehr als einer halben Million Follower den Fußballnachwuchs weltweit begeistert. Der Star machte allerdings im Match „keinen Stich“, auf dem Weg zum FCN-Mannschaftsbus war er von den FVI-Kids nur mit Mühe zu ein paar Selfies zu bewegen. Aber auf jeden Fall bewahrheitete sich an diesem Samstagnachmittag der Slogan, der schon vor rund zehn Jahren das Fußballpublikum begeistert hatte: „Illertissen spielt international!“