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"Tempo 90?!" "Ja, Mann!" Hier rast das schnellste Allgäuer Hornerschlitten-Team

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"Tempo 90?!" "Ja, Mann!" Hier rast das schnellste Allgäuer Hornerschlitten-Team

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    Und einschlagen! Anschieber Anton (links) muss bei der letzten Kurve kräftig mitlenken.
    Und einschlagen! Anschieber Anton (links) muss bei der letzten Kurve kräftig mitlenken. Foto: Stephan Michalik

    ++++ Dieser Artikel stammt von 2018 aus dem Archiv von allgaeu.life ++++

    "Tempo 90?!" Ich frag lieber noch mal nach, ob ich mich nicht verhört habe. Die Antwort kommt sofort. Vierstimmig und im Brustton der Überzeugung: "Ja, Mann!"

    Klaus Frenzel (51), Günter Geisenhhofer (55), Manfred Herb (45) und Anton Mayr (51) von den Hornados aus Sulzberg zählen zu den bundesweit schnellsten Hornschlitten-Teams. Ursprünglich wurden die Hornschlitten von Bergbauern verwendet, die damit ihr Heu von den Alphütten ins Tal beförderten. Mittlerweile werden sie für Gaudi-Rennen oder sportliche Wettbewerbe eingesetzt.

    Rasantes Hornschlitten-Quartett: die Hornados aus Sulzberg mit (vorne von links) Klaus Frenzel, Günter Geisenhofer, Manfred Herb und Anton Mayr beim Training in Gunzesried. Im Hintergrund: der Grünten.
    Rasantes Hornschlitten-Quartett: die Hornados aus Sulzberg mit (vorne von links) Klaus Frenzel, Günter Geisenhofer, Manfred Herb und Anton Mayr beim Training in Gunzesried. Im Hintergrund: der Grünten. Foto: Schuhwerk

    Bei der "Bayerischen" in Garmisch-Partenkirchen rasten die Hornados die 1.000 Meter lange Strecke in 1:33,65 Minuten hinunter. Das durchschnittliche Gefälle auf der Kultstrecke betrug 18 Prozent. Ihre Spitzengeschwindigkeit: 90 Kilometer pro Stunde. Ein Wahnsinnsritt! "Wir sind ein eingespieltes Team, hatten obendrein ein brutales Wachs und eine gute Startnummer", erklären die unerschrockenen Allgäuer ihren bislang größten Erfolg.

    Die Hornados Sulzberg haben 15 Mitglieder.

    Die Begeisterung für das Hornerfahren erweckten Anton Mayr und Erwin Feneberg als Jugendliche. 1984 düsten sie mit einem Hornerschlitten, der zum Milchtransport talabwärts in die Sennereien verwendet wurde, ihre ersten Abhänge hinunter. Schon bald stellten die Sulzberger Zweier-Teams bei Rennen.

    Ein Viererteam gibt es seit 20 Jahren. Es besteht aus Klaus Frenzel (Schreinermeister), Günter Geisenhofer (Inhaber eines

    Motorradgeschäfts

    ), Manfred Herb (Private Banking Berater) und Anton Mayr (Landwirt).

    Seit über 20 Jahren fahren sie auf Hornschlitten ab - und der Konkurrenz oft davon. Meistens in Zweier-Teams, wie beim traditionellen Schalengge-Rennen in Pfronten (10. Februar 2018, spektakuläre Fotos aus dem Vorjahr gibt es hier) oder eben in Sulzberg (entfällt heuer).

    Ringer-Urgestein Anton schiebt den Schlitten - und filmte mit der GoPro für uns.
    Ringer-Urgestein Anton schiebt den Schlitten - und filmte mit der GoPro für uns. Foto: Schuhwerk

    Der Viererschlitten, so sehen es die Hornados, ist die Königsklasse. Also nur was für die ganz Harten. "Man muss sich blind vertrauen können. Das ist jedes Mal ein Adrenalinkick", sagen die vier Kumpels, die in der Szene durchaus als Schwergewichte gelten. Einerseits wegen ihres Erfolgs. Andererseits wegen der Masse, die sie auf den 40 Kilogramm schweren Schlitten aus Eschenholz wuchten.

    Da kommen leicht 400 Kilo zusammen. Anschieber Anton Mayr hat mit 107 Kilo entscheidenden Anteil daran. "Aber ich muss es ja auch ausbaden, wenn ich am Anfang loslauf'", sagt der bekannte Allgäuer Ringer vom Landesligisten SV 29 Kempten schmunzelnd.

    Darüber was nun die wichtigste Position im Viererschlitten ist, sind sich alle einig: Jeweils die, die man selbst einnimmt!

    • Klaus bestimmt als Lenker die Linie - und steigt dazu mit den Bergschuhen bei voller Fahrt ins Eis.
    • Günter ist als zweiter Mann Herr über die so genannten Bratzen. Darunter versteht man zwei Holzstiehle, an deren unteren Enden eiserne Bremsen befestigt sind.
    • Manfred liegt als dritter Mann im Bunde fast waagrecht auf dem Schlitten und verlagert sein Gewicht je nach Kurve.
    • Anschieber Anton nimmt nach dem Auftakt-Sprint im Stehen auf dem Schlitten Platz. Er hält sich an zwei Holzstangen fest, mit denen er ebenfalls Einfluss auf die Fahrt-Linie nehmen kann.

    Als Schreinermeister hat Klaus den Schlitten selbst gezimmert. Zum Training in Gunzesried wird das gute Stücke (Marktwert ca. 1000 Euro) mit in einem Lader am Geländewagen angeliefert. Danach ziehen und schieben die Männer ihn - quasi zum Aufwärmen - einen vereisten Ziehweg hinauf.

    Bei der rasanten Abfahrt demonstrieren sie Tempo und Technik in Perfektion: Das Quartett rast mit voller Wucht auf den kreidebleichen Kameramann Stephan zu. Buchstäblich in letzter Sekunde macht es einen ordentlichen Ruckler - und der Schlitten rast ein paar Zentimeter neben ihm vorbei. Das nennt man wohl Allgäuer Wertarbeit.

    Doch auch als Partyteam sind die vier Kumpels nicht zu unterschätzen: Die 400 Euro Preisgeld beim Rennen in Garmisch wurde jedenfalls standesgemäß an Ort und Stelle verjubelt.

    Wer schneller fährt, kann länger feiern...

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