Da haben die deutschen Sportler das Ruder am Wochenende gerade noch rumgerissen. Sehenden Auges schlitterte der Deutsche Ski-Verband (DSV) bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf in Richtung eines Medaillen-Debakels.
Dann gab es zweimal Silber und am Sonntagabend zum krönenden Abschluss der ersten WM-Woche im Allgäu die Goldmedaille für das Mixed-Team der Skispringer. Es war ein Titel, mit dem im Vorfeld niemand gerechnet hatte. Aber einer mit Signalwirkung. DSV-Präsident Franz Steinle sagte am Montag: „Die unerwarteten Medaillen sind die schönsten. So ziehen wir zur WM-Halbzeit in Summe doch zufrieden mit unserer Ausbeute.“
Eine Bonus-WM als Wiedergutmachung für Oberstdorf?
Auch für die Organisation der WM gibt es von ihm den Daumen nach oben. „Es läuft reibungslos. Dafür gab’s auch schon Lob vom internationalen Skiverband.“ Eine Bonus-WM in naher Zukunft – quasi als Wiedergutmachung für die leeren Stadien bei den Titelkämpfen mitten in der Corona-Pandemie – sei der Wunsch aller Beteiligten. Überstürzen will man diesbezüglich aber nichts. Steinle: „Erste Gespräche gab es schon. Wir werden nach einer ausführlichen Analyse dieser WM auf die Fis zugehen.“ Sollte es mit einer Bewerbung 2027 oder 2029 klappen, meint der Verbandschef, könne man die Sportstätten in Oberstdorf sogar ohne große weitere Investitionen nutzen.
Aber zurück zu 2021, zurück zum Sportlichen: Deutschland liegt nach 13 von 24 Entscheidungen auf Rang drei im Medaillenspiegel. An sich nicht schlecht. Doch schon vor der zweiten WM-Woche zeichnet sich ab, dass das deutsche Team an die Ausbeute der Gold-Festspiele von Seefeld (sechs Titel, dreimal Silber) und Lahti 2015 (sechsmal Gold, dreimal Silber, zweimal Bronze) in Oberstdorf wohl bei Weitem nicht rankommt. Steinle sagt dazu: „In Seefeld, Lahti und Falun hatten wir viele herausragende Erfolge, auch Überraschungen, die sich nicht so einfach wiederholen lassen. Die Messlatte für die WM in Oberstdorf war daher im Vorfeld natürlich sehr hoch.“ Elf Chancen auf Edelmetall haben die deutschen Sportler bei der WM bis kommenden Sonntag noch.

Nordische Ski-WM in Oberstdorf: Chancen auf Podestplätze in Woche zwei
Skispringen: Wie schon bei den Titelkämpfen in Tirol vor zwei Jahren, finden die deutschen Springer pünktlich zum Saisonhöhepunkt wieder zur Topform und zeigen Nervenstärke. Das war zuletzt im Weltcup nicht mehr der Fall. Der Oberstdorfer Karl Geiger zählt jetzt schon mit einer Gold- und einer Silbermedaille zu den erfolgreichsten Sportlern dieser Weltmeisterschaft. Nach den Wettkämpfen auf der Normalschanze geht es jetzt in anderen Dimensionen weiter. In den Einzeln bei Frauen und Männern sowie im Männer-Teamwettbewerb von der Großschanze könnten weitere Medaillen herausspringen. Geiger wachsen nach seinen jüngsten Triumphen Flügel, Markus Eisenbichler hat nach dem verpatzten Auftakt noch eine Rechnung mit Oberstdorf offen und Katharina Althaus ist nach den beiden perfekten Sprüngen im Mixed-Wettbewerb alles zuzutrauen – trotz ihrer Formschwäche in den vergangenen Wochen. „Die Springer sind bislang über sich hinausgewachsen“, meint DSV-Präsident Steinle.
Nordische Kombination: Die erste Enttäuschung ist verarbeitet. „Alle haben natürlich im Einzel auf eine Medaille gehofft. Aber das passiert. So ist der Sport“, sagt Steinle. Zum Auftakt war Eric Frenzel von der Normalschanze als Vierter bester Deutscher. Immerhin hat’s im Team mit Silber geklappt. Und die Kombinierer haben auch in der zweiten WM-Woche gute Podest-Chancen – im Einzel von der Großschanze und im Teamsprint zum Abschluss. „Wir sind so stark, dass wir eine Medaille gewinnen wollen, wenn wir an den Start gehen. Das ist weiterhin unser Ziel“, sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch.
Hoffnung auf das Ende der Pechsträhne im Langlauf
Langlauf: Bei den Langläufern käme jeder Podiumsplatz einer Sensation gleich. Sechs Wettbewerbe stehen noch aus, aber selbst in den Staffeln ist Deutschland nur Außenseiter. Bei den Frauen wie bei den Männern. Teamchef Peter Schlickenrieder bleibt zuversichtlich und sagt: „Irgendwann reißt so eine Pechsträhne ja auch mal wieder. Jetzt gilt es, die Arschbacken zusammenzukneifen und das Beste rauszuholen.“

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