Dieses Gebäude ist ideal. Als Steinmetzin Steffi Schneider erfuhr, dass die Stadt Wangen Menschen sucht, die die alten Gebäude der Erba-Industriebrache mit neuem Leben erfüllen, wollte sie dabei sein.
Die aus Lindau stammende Handwerkerin, die überwiegend an historischen Gebäuden arbeitet, bewarb sich 2017 mit einem Nutzungs- und Sanierungskonzept samt Preisvorschlag – und bekam den Zuschlag für das 1876 erbaute erste Kesselhaus der damaligen Textilfabrik. 2019 bezog sie mit ihrem Team die neue Werkstatt. Während der Landesgartenschau steht diese Besuchern offen.
Ehemaliges Kesselhaus in Wangen: Spannende Kunst auf der Landesgartenschau
Außerdem ermöglicht es Schneider Künstlerinnen, großzügige Räume in ihrem Haus für Ausstellungen zu nutzen. Dort begegnet man in den nächsten Monaten bekannten Kunstschaffenden und spannenden Werken.
Dieser Tage sind unter anderem Ilka Kupfer und Gisela Dobler aus Lindenberg im „Kunstraum Atelier“ anzutreffen. Gemeinsam mit Carolin Dornach aus Kempten, Birgit Wolf aus Wangen und Christina Lenz aus Oberstaufen zeigen sie bunte, vieldeutige, nachdenkliche und verführerische Arbeiten auf den Etagen über der Werkstatt.

Viele davon lassen eine Verbindung zur Landesgartenschau erkennen. „Es sind die Themen Natur und Artenvielfalt, die uns verbinden“, erklärt Gisela Dobler, die unter anderem eine Stele aus farbigen Plastikblumentöpfen präsentiert. Die Keramikerin Ilka Kupfer hat das Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“ in eine Plastik verarbeitet und dabei alle Strophen eingeritzt. Die großformatigen melancholisch-geheimnissvollen Fotoarbeiten Carolin Dornachs scheinen Schwingungen der alten Gemäuer aufzufangen und zu verstärken.
Altes Kesselhaus: Gemäuer musste stabilisiert werden
Alte Ziegelmauern verleihen auch Steffi Schneiders Steinmanufaktur Charme, ebenso die in Kassetten aufgeteilten Rundbogenfenster, die fast bis zur Decke der sechs Meter hohen Halle reichen.
Steffi Schneider und ihr Mann Paul Berger haben die alten Scheiben im Stahlguss-Rahmen belassen und sie innen mit dünnem Isolierglas ergänzt. Zuvor aber mussten sie eine Holzdecke herausnehmen, die einst für die Umnutzung zum Lager eingezogen worden war. Eine große Herausforderung stellte laut Berger die Stabilisierung des Gemäuers dar. Sie gelang durch das Einbauen eines Ringgurts, also eines Betonkranzes, der sich um alle vier Außenmauern zieht.

150.000 Euro bezahlte Steffi Schneider für das zuletzt als Lager genutzte, eindrucksvolle Satteldach-Gebäude. In die Sanierung steckte sie gut das Achtfache dieser Summe, wobei es auch Zuschuss vom Denkmalschutz gab.
Der Aufwand hat sich gelohnt. „Das Arbeiten hier ist super gut“, sagt Schneider und deutet in den lichtdurchfluteten Raum. „So hoch, so luftig – da ist das mit der Staubbelastung viel einfacher.“ Die 45-jährige Steinmetzmeisterin und Restauratorin, die fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, war zuvor einige Zeit auf der Suche nach einer geeigneten Arbeits- und Wohnstätte. „Eine neue Halle gebaut hätte ich nie. Das passt nicht zu meiner Arbeit.“
Kunst dagegen ist ihr als Steinbildhauerin nahe. Schneider, die sich selbst als Handwerkerin – „höchstens Kunsthandwerkerin“ – versteht, ist externes Mitglied der Lindenberger Ateliergemeinschaft K4 und gut vernetzt in Künstlerkreisen. So fand sie 52 kreative Frauen und vier Männer, vorwiegend aus dem Allgäu und Oberschwaben, die gegen einen Unkostenbeitrag gern im früheren Kesselhaus ihre Arbeit zeigen.
Bei den Gartenschaugästen kommt das Angebot gut an. Die Handwerker wie auch die Künstlerinnen sind ganz angetan vom Publikum während der ersten Woche. Hausherrin Steffi Schneider freut sich über die fröhliche Stimmung und das Interesse der Werkstattbesucher. „Es kommen ganz unterschiedliche Ausstellungsbesucher“, sagt Ilka Kupfer, und Gisela Dobler ergänzt: „Familien mit Kindern ebenso wie kunstinteressierte Menschen.“ Alle zwei Wochen wechseln die Ausstellungen unter dem Dachgebälk. In ihre Werkstatt lädt Steffi Schneider während der Gartenschau Kollegen ein, die Interessierten verschiedene Zugänge zum Kunsthandwerk anbieten.
Arbeiten von Steffi Schneider sind auch in der Neuen Spinnerei bei der Ausstellung „Holz I Stein“ zu sehen.
Hier eine Übersicht über die Ausstellungen und Workshops:
Aktionen und Workshops in der Werkstatt:
- „Kinderschmieden“ mit Kunstschmied Martin Tretter am 17. Mai, 18. Juli, 20. September
- Bildhauerkurs mit Franziska Kreipl Poller von 23. bis 26. Mai
- Workshops „Schamanische Bildhauerei“, „Wege zur Kunst“, „Der Atem des Steins“ mit Michael Mazurek und Johannes Lau, 10. bis 16. Juni
- „Workshop Grabmal und Skulptur“ mit Günter Schinn, 17. bis 21. Juni
- Ska und Punk am 21. Juni ab 20 Uhr in der Steinmanufaktur
- Einblicke in die Welt der Steingravur mit Tobias Betzen, 24. bis 27. Juni
- Steinmetzkurse für Anfänger und Fortgeschrittene mit Georg Glettler und Dietmar Hawran von 29. Juni bis 7. Juli und von 7. Juli bis 14. Juli
- „Anfertigen einer Weinbergschnecke aus Kroatischem Kalkstein“ mit Harald Straub von 26. bis 28. Juli
- Grabmal und Skulptur zum Thema Engel mit Gudrun und Christian Stimm, Lukas Speiser und Lea Hage von 29. Juli bis 4. August
- „Wildes Steingeklopfe“: zwei Steinmetze vom Verein „Steinstaub“ lassen sich über die Schulter schauen von 9. bis 11. August
- „Mosaik Malerei aus Stein“ von 15. bis 17. August
- „Stein-Upcycling“ mit Ulrike Sedlmeier von 6. bis 9. September
Die Ausstellungen im Kunstraum Atelier:
- bis 10. Mai: Gisela Dobler, Carolin Dornach, Ilka Kupfer, Christina Lenz, Birgit Wolf mit Installationen Fotoarbeiten, Keramik, Plastiken, Malerei und Raku-Keramik
- 13. bis 26. Mai: Annette Girke und Christa Maria Marschall mit Malerei und Tierskulptur
- 28. Mai bis 10. Juni: Jenny Fässler-Obermeyer, Lisa Niermayer mit Malerei, Mischtechniken, Objekten, Grafik
- 12. bis 26. Juni: Marie-Luise Anten-Dittmar, Ibrahim Ayne, Angelika Karg, Claudia Freitag-Mair, Billur Memetali, Doris Sailer, Anne Stümke, Ragela Bertoldo, Cordula Haasis, Maria Prinz mit Malerei, Zeichnung, Mischtechnik, Collage, Fotografie, „tricky films“, Textilkunst und Installation
- 28. Juni bis 11. Juli: Mitglieder des Künstlerkreises Oberstaufen mit Malerei, Zeichnung, Objektkunst, Fotografie, Holz-, Stein- und Metallskulptur
- 13. bis 26. Juli: Neil McCloskey, Angelika und Dagmar Moritz mit Collage, Drucktechnik, Malerei, Zeichnung
- 29. Juli bis 12. August: Thomas Flatley, Laura Schweigl, Max Srba, Adelinde Wanner und Piepe Hawran mit Mixed Medium Local Art, Malerei, Porzellan, Spachteltechnik, Metall- und Steinskulpturen
- 14. bis 27. August: Ulrike Liebsch, Falko Jahn, P. Ariane Ehinger, Georg Glettler, Piepe Hawran und Sandra Müller mit Malerei, Holz-, Stein- und Metallskuptur
- 29. August bis 11. September: Silvia Gagalick, Ute Tapper-Göhl, Margrit Wucher Baszcak, Veronika Wucher mit Malerei, Drucktechnik, Fotografie, Bildhauerei
- 13. bis 25. September: Mareike Lemke, Ulrike Hüppeler, Elisabeth Hölz mit Holzskulpturen, Malerei, Stoffplastiken
- 27. September bis 6. Oktober: Mónica Tauber Loos und Monika Gauss mit Malerei und Fotografie
- Klangperformance mit Viz Michael Kremietz am 5. Oktober um 19 Uhr.
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