Der eine inszeniert sich königlich im bayerischen Prunkschloss, der andere will Flüchtlingslager auf Lesbos besuchen. Gegensätzlicher könnten die Schauplätze im offiziell nie erklärten Konkurrenzkampf zwischen Markus Söder und Armin Laschet nicht sein. Der bayerische CSU-Ministerpräsident hielt vor gut zwei Wochen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Seite im prächtigen Schloss Herrenchiemsee Hof. Der nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident sucht direkt nach der Rückkehr aus seinem vom Corona-Krisenmanagement überschatteten Sommerurlaub am Bodensee die Flüchtlingscamps auf der Insel Lesbos auf.
Laschet will deutscher Kanzler werden
Laschet, der CDU-Bundesvorsitzender werden will und damit auch Ambitionen auf die Kanzlerschaft hat, dürfte bei seiner Reise nach Griechenland in den kommenden Tagen die mediale Aufmerksamkeit gewiss sein. Söder und Laschet - in der politischen Sommerpause wird der Kampf um die Kanzlerschaft und Nachfolge Merkels auf diese beiden Politiker zugespitzt. Obwohl Söder offiziell gar keine Ambitionen auf die Kanzlerschaft angemeldet hat und immer wiederholt, sein Platz sei in Bayern, liegt er in Umfragen weit vor Laschet.
Für diesen ist der Weg noch voller Hürden. Zunächst einmal muss er im Dezember bei der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden seine Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen besiegen. Und dann ist da noch Gesundheitsminister Jens Spahn, mit dem Laschet im Team für den CDU-Vorsitz antreten will. Ob diese Aufstellung bis Dezember hält, darüber wird umso mehr spekuliert, je mehr Söder in der Corona-Krise an Statur gewinnt.
Laschet war einst NRW-Integrationsminister
Mit der Reise nach Griechenland könnte Laschet mit einem anderen Thema als Corona wieder in die Offensive kommen. Der geplante Besuch von Flüchtlingslagern auf Lesbos ist auch ein Signal: In Corona-Zeiten sollen die Menschen dort nicht vergessen werden. Das passt zu Laschet, dem ehemaligen NRW-Integrationsminister, der auch gern auf außenpolitischer Bühne steht und in der Flüchtlingskrise fest an der Seite Merkels stand.
"Der entschlossene Kampf zur Bewältigung der Corona-Pandemie entbindet uns nicht von unserer Verantwortung auch in der Flüchtlingskrise." Und: "Es ist geboten und unsere humanitäre Verantwortung, hier endlich Lösungen zu finden und den Menschen zu helfen", betont Laschet in einer Zeit, in der Deutschland vor allem mit seinen eigenen Problemen in der Pandemie beschäftigt scheint.
Die Hilfe ist bereits angelaufen: Insgesamt sollen laut Plänen des Bundes und der Länder bis Ende August 928 Schutzsuchende von den griechischen Inseln nach Deutschland geholt werden. NRW nimmt in den nächsten Wochen 220 kranke Kinder und ihre engsten Familienangehörigen auf.
Ob das Thema Flüchtlinge Laschet nutzen wird, ist offen. "Moralisch gesehen ist es interessant, das so zu machen", sagt der Düsseldorfer Politologe Stefan Marschall. "Aber er ist im Wahlkampf. Da wird es anders eingeordnet." Am 13. September sind in Nordrhein-Westfalen zudem Kommunalwahlen. "Aber das wird keinen davon abhalten, in dieser Wahl auch einen Hinweis auf die Kanzler- und Parteivorsitzenden-Fähigkeit von Armin Laschet zu sehen", sagt Marschall.
>> Lesen Sie auch: Söder äußert sich zur Kanzlerkandidatur <<
In Umfragen scheint Laschet derzeit abgeschrieben zu sein. Ein Tausch mit Spahn bei der Bewerbung um den CDU-Vorsitz ist eines der Szenarien - dann könnte die Union mit Söder als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen, wird spekuliert. Einige wollen Laschet denn auch auf das Bundespräsidentenamt wegloben, eine äußerst unsichere Option für ihn.
Spahn, der Laschet am Bodensee besucht hatte, werde die Entscheidung, mit diesem ein Team zu bilden, durchziehen, heißt es. Er suche keinen Weg raus. Das würde ihm auch den Vorwurf der Illoyalität einbringen. Und im Übrigen müssten sich die Delegierten beim CDU-Parteitag im Dezember in Stuttgart fragen, ob ihrem neuen Vorsitzenden, wenn der denn dann Spahn hieße, wirklich nur die Rolle eines Steigbügelhalters für den Kanzlerkandidaten Söder von der CSU zukommen solle. Eine sensible Frage, nachdem CSU-Ikone Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber als Kanzlerkandidaten der Union scheiterten.
Dass Laschet zugunsten Spahns auf den CDU-Vorsitz verzichtet, gilt ohnehin als wenig plausibel, wäre er dann doch auch als NRW-Ministerpräsident angeschlagen. Laschet wirkt trotz der schlechten Umfragewerte ziemlich selbstbewusst. Sein Corona-Krisenmanagement in NRW war zwar begleitet von zahlreichen Kommunikationspannen, aber das bevölkerungsreichste Bundesland kam besser durch die Krise als viele andere Länder, voran Bayern.
>> Lesen Sie auch: Bayerntrend - Bayern sehen Söder als Kanzlerkandidaten <<
Nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts (Stand 1. August) lag Bayern bei 391 Corona-Fällen pro 100 000 Einwohnern, NRW bei 274 Fällen. Inzwischen heißt es bei der CSU, eigentlich haben ja alle einen guten Job gemacht in der Corona-Krise, jeder auf seine Weise. Das Ergebnis für Deutschland insgesamt könne sich ja sehen lassen.
Laschet muss aber auch auf seinen parteiinternen Konkurrenten Merz aufpassen. Der liegt nämlich in Umfragen auch noch vor ihm. Und solange sich Söder und Laschet zanken, reibt sich dieser die Hände. Denn Merz weiß auch, wenn sich die beiden Ministerpräsidenten der größten Bundesländer von Anfang an zusammengetan hätten, wäre er schon längst aus dem Rennen um den CDU-Vorsitz. So aber läuft Söder Gefahr, dass, wenn es mit Spahn nicht klappt, er einen CDU-Vorsitzenden bekommt, den er gerade nicht haben wollte.
Im Herbst dürfte es auch um neue Themen gehen: Wie kommt die Wirtschaft wieder auf die Beine? Wie kann Arbeitslosigkeit bekämpft werden? Wie kann man den Haushalt wieder in den Griff bekommen? Vor diesem Hintergrund steht die Wahl zum CDU-Vorsitz an. Und erst danach stellt sich die Frage, wer sichert im Herbst 2021 die Kanzlerschaft für die Union. Das ist eine neue Runde, und die CDU hat das Vorschlagsrecht.
"Es gibt gute Gründe, warum die CSU nie den Kanzler gestellt hat", sagte Söder der Bild am Sonntag. Einer dürfte sein, dass der CSU-Chef, sollte er tatsächlich Kanzler werden, über die vollen vier Jahre im Amt jederzeit auf die Unterstützung der größeren, selbstbewussten Schwesterpartei CDU zählen können müsste.
Söder: Zu langer Wahlkampf neben aktiver Kanzlerin ist nicht sinnvoll
Söder tritt inzwischen etwas auf die Bremse. Man müsse nicht unbedingt schon im Januar den Kanzlerkandidaten nominieren, im März geht es auch noch, sagte er der Bild am Sonntag und ähnlich im ARD-"Sommerinterview". "Ein zu langer Wahlkampf neben einer aktiven Kanzlerin ist wenig sinnvoll." Die in der Krise wieder erstarkte Merkel könnte zu lange Schatten auf den Kandidaten werfen.
Angesichts von derzeit 38 Prozent in den Umfragen für die Union scheint die Möglichkeit für den Unionskandidaten, nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Merkel dieser direkt nachfolgen zu können, so groß wie selten zuvor. Doch Söder warnte in der ARD: "Jeder der glaubt, mit diesen Umfragewerten ins Kanzleramt zu surfen, der muss sich noch genau überlegen, wie es weitergeht" - bis zum Herbst 2021.