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Ukraine-Krieg: Kanzer Scholz besucht das Baltikum – und das Thema Krieg ist allgegenwärtig

Ukraine-Krieg

Kanzer Scholz besucht das Baltikum – und das Thema Krieg ist allgegenwärtig

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    Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte den an Russland angrenzenden baltischen Staaten weitere militärische Unterstützung aus Deutschland zu. Foto: Michael Kappeler, dpa
    Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte den an Russland angrenzenden baltischen Staaten weitere militärische Unterstützung aus Deutschland zu. Foto: Michael Kappeler, dpa Foto: Michael Kappeler

    Die an Russland angrenzenden baltischen Staaten können vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs weiter auf militärische Unterstützung aus Deutschland setzen. „Wir sind bereit, jeden Quadratzentimeter des Nato-Territoriums gegen Angriffe zu verteidigen“, bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitagabend nach einem Treffen mit Vertretern von Litauen, Lettland und Estland (B3-Staaten) in Tallinn. Der SPD-Politiker kam dabei mit Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas sowie Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda und dem lettischen Ministerpräsidenten Krisjanis Karins zusammen.

    Das Verhältnis von Deutschland zu den baltischen Staaten ist aktuell getrübt

    Die traditionell guten Beziehungen zwischen Deutschland und den B3 sind derzeit getrübt. Litauen etwa hofft auf mehr militärischen Schutz und setzt über die bisherige Unterstützung hinaus auf eine komplette Bundeswehr-Brigade mit einer Stärke von etwa 4000 Soldatinnen und Soldaten. Berlin hingegen favorisiert ein rotierendes Modell, bei dem immer nur Teile einer Brigade entsandt werden. Scholz machte darüber hinaus auch in Tallinn keine weiteren Zusagen. Deutschland sei ja „sehr vielfältig unterwegs hier im Baltikum, aber nicht nur da“, erklärte der SPD-Politiker und machte erneut deutlich, dass seitens der B3 zunächst die notwendige Infrastruktur für große Truppenbewegungen aufgebaut werden muss. 

    Estland wiederum hat Staaten wie Deutschland, Frankreich und Italien dazu aufgerufen, deutlich mehr Geld für die Unterstützung der Ukraine bereitzustellen. Beim Treffen in Tallinn dankte Ministerpräsidentin Kallas ihrem deutschen Gast einerseits ausdrücklich für das neue 2,7-Milliarden-Euro-Paket zur militärischen Unterstützung der Ukraine. Gleichzeitig forderte sie mit Blick auf den bevorstehenden Nato-Gipfel Mitte Juli in Vilnius größere finanzielle Anstrengungen des Militärbündnisses. Estland schwebt dabei als Hausnummer ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. 

    Scholz’ erster Besuch in Estland als Bundeskanzler traf in dem 1,3-Millionen-Einwohner-Staat auf großes Interesse. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs sind die Nerven der Menschen in den baltischen Staaten wegen der Grenzen zu Russland und dessen engem Verbündeten Belarus mindestens angespannt. Viele wähnen sich in der bedrohlichsten Lage seit 2014, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte. Die Sorge damals war groß, der russische Präsident Wladimir Putin werde nicht Halt machen und auch das Baltikum, oder zumindest Teile davon, angreifen. Es würde zur Denkweise des Russen passen, der den alten Zeiten nachtrauert: Litauen, Lettland und Estland (B3) gehörten einst der Sowjetunion an, Putin sähe sich gerne wieder als Herrscher über die früheren Gebiete. „Russland kopiert eindeutig das sowjetische Drehbuch, das wir hier in der Region so gut kennen“, sagte Kallas.

    Zudem wäre ein solcher Schritt strategisch für Putin von Bedeutung. Das Baltikum verhindert den direkten Zugang zur Ostsee und zur russischen Exklave des Kaliningrader Gebiets. Vor allem in Lettland und Estland leben viele Menschen mit russischen Wurzeln, die Anbindung an den Westen hat immer wieder scharfe Kritik des Kremls hervorgerufen. Putin verlangte jüngst von der Nato erneut, keine osteuropäischen Staaten mehr als Bündnispartner aufzunehmen und drohte mit Konsequenzen für den Westen.

    Lettland, Estland und Litauen haben nicht die Mittel, ihren Luftraum zu sichern

    Die drei baltischen Staaten traten 2004 der Nato bei, doch der militärische Schutzschirm wirkt dünn. Die B3 haben etwa trotz erheblicher Steigerungen des Militär-Etats nicht die Mittel, ihren Luftraum zu sichern. Seit 2004 wird diese Aufgabe durch die Nato-Mission „Baltic Air Policing“ übernommen. Deutschland beteiligt sich seit 2005 daran, die Bundeswehr hat über die Luftwaffe unter anderem Jagdflugzeuge im Einsatz, zunächst die F-4F Phantom II, später den Eurofighter. Nicht nur die baltischen Staaten sollen geschützt werden, der Einsatz gilt auch der Erhöhung der Flugsicherheit im angrenzenden internationalen Luftraum über der Ostsee.

    Estland und Lettland haben außerdem Interesse am deutschen Luftabwehrsystem Iris-T-SLM angemeldet, das neben Leopard-Panzern und anderen Militärgütern zum letzten deutschen Rüstungspaket für die Ukraine gehörte. Angepeilt ist ihr Einsatz bereits für 2025, wie der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur deutlich machte. Fraglich ist, ob die deutsche Industrie so schnell liefern kann. Deutschland ist durch die Waffenlieferungen an die Ukraine und jahrelanges Missmanagement in der Beschaffung für die Bundeswehr selbst ziemlich blank. Eine Landesverteidigung, beklagen deutsche Militärs, ist da nahezu unmöglich. 

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