Derzeit kostet eine Kilowatt Strom Neukunden weniger als die Untergrenze der Energiepreisbremse.
Bild: Hauke-Christian Dittrich, dpa (Symbolbild)
Derzeit kostet eine Kilowatt Strom Neukunden weniger als die Untergrenze der Energiepreisbremse.
Bild: Hauke-Christian Dittrich, dpa (Symbolbild)
Die Energiepreise an den Börsen für Gas und Strom sinken seit Wochen deutlich: Laut Vergleichsportalen wie Verivox können Privathaushalte Neukundenverträge von 35,9 Cent pro Kilowattstunde bei Strom und 11,3 Cent bei Gas abschließen. Doch die meisten Menschen zahlen derzeit bei bestehenden Verträgen mehr als 50 Prozent höhere Preise. Denn die wenigsten Energieversorger geben derzeit die niedrigeren Beschaffungskosten an ihre Kundschaft weiter.
Schuld daran könnten nach Ansicht von Fachleuten ausgerechnet die von der Bundesregierung beschlossenen Energiepreisbremsen sein. Bei Preisen über 40 Cent für Strom und zwölf Cent für Gas pro Kilowattstundeüberweist der Staat den Energieversorgern den größten Teil der Mehrkosten. Ziel des von Kanzler Olaf Scholz ausgerufenen „Doppel-Wumms“ war dabei eigentlich Privathaushalte und Unternehmen zu entlasten.
Doch der staatliche Eingriff in den Energiemarkt droht nach hinten loszugehen, wie unter anderem der stellvertretende Unionsfraktionschef Jens Spahn befürchtet. „Wir sehen tatsächlich ein Problem: Die Einkaufspreise der Versorger für Strom und Gas sinken, aber die meisten Bürgerinnen und Bürger profitieren davon gar nicht oder viel zu spät“, sagt der CDU-Politiker im Interview mit unserer Redaktion. „Wegen der Staatshilfen fehlt den Versorgern zudem der Druck, günstigere Preise an ihre Kunden weiterzugeben“, warnt Spahn. „So könnte die Preisbremse noch zum Preistreiber werden. Und dann profitieren am Ende nur die Energiekonzerne.“
Spahn fordert nun eine rasche Korrektur der Preisdeckel: „Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man in Krisenzeiten beschlossene Gesetze auch mal nachbessern muss“, sagt der frühere Gesundheitsminister. „Die Energiepreisbremsen müssen an die Entwicklung der sinkenden Preise angepasst werden“, betont er. Jetzt müssten Fehlanreize rasch korrigiert werden, damit die Preise sinken. „Sonst zahlen die Menschen zweifach für die Gewinne der Energiekonzerne – direkt als Kunden und indirekt als Steuerzahler für die Kosten der Preisbremsen“, warnt Spahn. „Doppelbelastung statt ,Doppel-Wumms’, das kann nicht der Sinn der Sache sein.“
Auch der Präsident des Münchner Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts Clemens Fuest warnt vor einem Konstruktionsfehler der Preisbremsen: „Bei der Konstruktion der Energiepreisdeckel ist versäumt worden, darauf zu achten, dass Preissenkungsanreize erhalten bleiben“, sagte Fuest unserer Redaktion. „Die Energiepreisdeckel setzen eine Preiserwartung, das kann verhindern, dass der Preis für Strom und Gas schneller sinkt“, erklärt der Ökonom.
Der Ifo-Chef warnt jedoch vor überhasteten Korrekturen: „Man sollte vermeiden, Vertrauen in Unterstützungsmaßnahmen zu beschädigen“, sagte Fuest. „Nach dem ersten Quartal muss man sich die Preisbremsen nochmals ansehen, ob sie noch angemessen sind.“
Die Energieversorger weisen die Kritik zurück. Dass der Wettbewerb funktioniere, zeige, dass erste Gasversorger Preissenkungen bereits weitergäben, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energiewirtschaft Kerstin Andreae. „Tatsache ist aber auch, dass Gasversorger trotz allem noch die hohen Börsenpreise des vergangenen Jahres weitergeben müssen“, betont sie. Auch beim Strom habe jeder Versorger seine individuelle Strategie, kurz- oder langfristig Beschaffungsverträge abzuschließen, was sich unterschiedlich auf Endkundenpreise auswirke.